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27.02.2018

Das Bundesverwaltungsgericht erlaubt Diesel-Fahrverbote

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 27.02.2017 entschieden, dass die aktuelle Rechtslage ausreicht, Fahrverbote zu verhängen, um so die Grenzwerte von Luftschadstoffen wie Stickstoffdioxid oder Feinstaub einzuhalten. In den Augen von Wissenschaftlern bietet dieses Urteil die Möglichkeit, in eine Verkehrswende einzusteigen, bedeutet jedoch nicht für alle notwendig das Ende des Dieselmotors in PKW.

 

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Oscar Reutter, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, Wuppertal
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  • Prof. Dr. Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
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  • Prof. Dr. Barbara Hoffmann, Leiterin Umweltepidemiologie, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
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  • Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Präsident, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, Wuppertal
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  • Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze, Leiter des Instituts für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, Technische Universität Darmstadt
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  • Dr. Ulrich Franck, Senior Scientist, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ), Leipzig
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  • Prof. Dr. Ekkehard Hofmann, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Umwelt- und Technikrecht (IUTR), Universität Trier
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  • Dr.habil Weert Canzler, Senior Researcher, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Berlin
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  • Prof. Dr. Edeltraud Günther, Professur für BWL, insbesondere Betriebliche Umweltökonomie, Technische Universität Dresden
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Statements

Prof. Dr. Oscar Reutter

Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, Wuppertal

„Das Urteil von heute bedeutet den Ausstieg aus einer bislang ungebremst auf das Auto ausgerichteten Verkehrspolitik und Verkehrsplanung.“

„Es programmiert stattdessen den Umstieg auf eine Verkehrsgestaltung, die die Menschen, die Umwelt und die Stadtqualitäten in den Mittelpunkt stellt und deshalb die Transformation der Mobilitätsgestaltung hin zu den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes voran bringt: das zu Fuß gehen und Rad fahren, das Nutzen von Bussen und Bahnen sowie von Taxen oder Car-Sharing – anstelle des Autos.“

„Das heutige Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig ist ein wichtiges höchstrichterliches Urteil für eine zukunftsfähige Gestaltung von Mobilität und Verkehr in Deutschland.“

„Es ist ein gutes Urteil für Millionen von Menschen, die in den deutschen Städten und dort vor allem an den Hauptverkehrsstraßen heute unter den weit überhöhten Luftschadstoffbelastungen leiden, denn diese Luftschadstoffe, gerade auch Stickstoffdioxid, machen krank.“

„Es ist ein wegweisendes Urteil, weil es klar macht, dass sich auch der Verkehr an die Vorgaben für den Gesundheitsschutz und zur Luftreinhaltung halten muss und dass die Behörden, die Kommunen, die Länder und die Bundesregierung dafür Sorge tragen müssen.“

„Es ist ein herausforderndes Urteil, weil es verdeutlicht, dass eine grundlegende Verkehrswende hin zu einer umweltverträglichen und gesundheitsschonenden Mobilität dringend geboten ist.“

„Es eröffnet die Möglichkeit von kurzfristigen strecken- und bereichsbezogenen Fahrverboten zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung für bestimmte, besonders belastende Kraftfahrzeuge. Im Fokus stehen die Dieselkraftfahrzeuge, die rund ein Drittel der in Kraftfahrzeuge in Deutschland ausmachen.“

„Es ist ein praktisch umsetzbares Urteil, weil es die zeitlich abgestufte Einführung von Dieselfahrverboten und Ausnahmeregelungen zum Beispiel für bestimmte Anwohnergruppen oder für Handwerker ermöglicht.“

Prof. Dr. Thomas Koch

Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

„Das Urteil beschleunigt insgesamt nur die NO2-Reduzierung in den Städten, denn alleine die verschiedenen aktuellen Anstrengungen wären auch schon zielführend, nur eben noch nicht rechtzeitig wirksam.“

„Die größte Herausforderung ist die Zeitleiste zur Realisierung der Softwareupdates der EURO 5 und EURO 6b Fahrzeuge.“

„Dieser zeitaufwändige Schritt beinhaltet die Entwicklung, Überprüfung, Absicherung und Zulassung beim Hersteller sowie die nachfolgende Neubedatung der Fahrzeuge in den Werkstätten. Alles zusammen bedarf sicher noch vieler Monate, bis das Ergebnis sich auf das Flottenemissionsverhalten umfänglich niederschlägt.“

„Mit den genannten Update-Maßnahmen wird es im Jahr 2019 nur noch an den unmittelbar höchstbelasteten Stellen wie dem Stuttgarter Neckartor eine Immissionsüberschreitung geben. Damit ermöglicht die sinnvolle Intention des Gerichts, EURO 5 Fahrverbote zunächst zu vermeiden, dass nach 2019 nur an wenigen Straßenzügen relativ neue EURO 5 Autos einem möglichen Fahrverbot unterliegen.“

„Spätestens in zwei Jahren redet somit kaum noch jemand über NO2. Wir werden dann aus CO2-Gründen froh über jeden Diesel und jeden Diesel-Hybriden im Flottenportfolio sein.“

„Tatsache ist, dass die NO2-Immissionswerte unmittelbar an den vielbelasteten Straßen noch immer oberhalb des Grenzwertes von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen. Spitzenreiter im bisherigen Jahresmittel 2018, das aber noch nicht repräsentativ ist, ist dabei das Stuttgarter Neckartor mit etwa 63 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Allerdings fallen die NO2-Konzentrationen seit langem.“

„Am Neckartor lag der Mittelwert im Jahr 2005 bei 121 Mikrogramm, 2010 bei 100 Mikrogramm und 2017 bei 73 Mikrogramm, im letzten Quartal des vergangenen Jahres sogar nur noch bei 64 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Zudem hat es 2005 am Neckartor noch 853 Stunden mit einer Grenzwertüberschreitung von 200 Mikrogramm gegeben. 2017 gab es noch drei und seit sieben Monaten keine einzige Stunde mehr. Das zeigt, dass Maßnahmen wie Updates und die zunehmende Verbreitung von umweltschonenderen EURO 6b Neufahrzeugen sowie solchen mit der neuesten EURO 6d-TEMP Technologie, die minimale Emissionen aufweisen, besser wirken, als in den Luftreinhalteplänen in Deutschland berechnet.“

„Technisch sind die Abgasprobleme der Dieseltechnologie inzwischen gänzlich gelöst. Neueste Modelle emittieren im realen Straßenverkehr noch im Mittel 20 bis 60 Milligramm NO2 pro Kilometer. Und auch upgedatete EURO 6 Diesel mit SCR-Abgasnachbehandlung der ersten Generation – etwa seit 2014 – kämen auf Real-Emissionen zwischen 200 und 300 Milligramm pro Kilometer. Durch die Modernisierung des Fahrzeugbestandes ist es daher nur eine Frage der Zeit, wie schnell die Immissionsgrenzwerte erreicht werden.“

„Wenn alle Diesel-Autofahrer ein EURO 6d-TEMP Dieselfahrzeug der neuesten Generation hätten, schrumpfte der Beitrag des Dieselverkehrs an der NO2-Konzentration am Neckartor unmittelbar an der Straße auf etwa 3 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.“

„Zum Vergleich: Eine Kerze in einem normal belüfteten Zimmer führt nach einer Stunde zu einer NO2-Konzentration von 100 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Im Kölner Dom wurden noch vor etwa zehn Jahren wegen der Opferkerzen Belastungen von 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen.“

„Die Herausforderung besteht nun darin, die zum Teil veraltete Bestandsflotte mit EURO 3, 4, 5 und 6 Fahrzeugen zügig auszutauschen oder zu verbessern. Eine vertrauensbildende Maßnahme der Industrie könnten sehr großzügige Tauschangebote für ältere EURO 3 und EURO 4 Fahrzeuge sein.“

Prof. Dr. Barbara Hoffmann

Leiterin Umweltepidemiologie, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

„Seit zehn Jahren existieren in Europa gemeinsam festgelegte Grenzwerte für Luftschadstoffe, die die Bevölkerung wenigstens teilweise vor den gesundheitlichen Schäden – unter anderem durch Stickoxide – schützen sollen. Bisher werden diese Grenzwerte regelmäßig überschritten – zum Nachteil für die Gesundheit der Bevölkerung.“

„Nun gibt das heutige Urteil den Städten und Gemeinden ein zusätzliches Instrument in die Hand, die gesetzlichen Auflagen zum Gesundheitsschutz zu erfüllen. Dabei kann es sich allerdings nur um eines von einer Reihe von Instrumenten handeln, die zu einer Verbesserung der Luftqualität beitragen. Wir müssen eine umfassende Veränderung unseres Verkehrsverhaltens und unserer Energiegewinnung einleiten und konsequent eine Mobilität fördern, die unser aller Gesundheit schützt und fördert. Deswegen sollten Bund, Länder und Gemeinden konsequent eine emissionsarme Verkehrspolitik auf allen Ebenen fördern und dabei auch auf die positiven Effekte der Förderung eines wirklich attraktiven Bahn- und öffentlichen Nahverkehrs und des Fahrrades setzen.“

Prof. Dr. Uwe Schneidewind

Präsident, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, Wuppertal

„Die Städte sollten das heutige Urteil als Weckruf nutzen. Spätestens jetzt ist es Zeit, aus dem oft defensiven 'Klein-Klein' einzelner Schadstoffvermeidungsmaßnahmen zu umfassenden Systemlösungen zu kommen.“

„Die digitale Vernetzung bietet völlig neue Chancen für die urbane Mobilität. Gerade für den öffentlichen Nahverkehr steckt hier eine gewaltige Chance viel attraktiver und kostengünstiger zu werden.“

„Ein Großteil der heutigen Autos lässt sich damit aus den Städten verbannen. Das zeigen die Praxis und die Planungen in Vorreiterstädten wie Kopenhagen, Amsterdam oder Lissabon. Je attraktiver der ÖPNV und je geringer die Zahl von Autos in den Innenstädten, desto mehr entspannt sich auch die Diskussion über lokale Luftemissionen.“

„Gerade für NRW stecken hier besondere Chancen – gerade im größten deutschen urbanen Ballungsraum Rhein-Ruhr. Noch setzen derzeit Städte wie Berlin, Hamburg oder Karlsruhe in Deutschland die Akzente für die Chancen neuer urbaner und digitaler Mobilität. Die Städte in NRW haben alle Potenziale, sich mit mutigen Planungen und Pilotversuchen an die Spitze zu setzen.“

Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze

Leiter des Instituts für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, Technische Universität Darmstadt

„Mit dem jüngsten Gerichtsentscheid über Diesel-Fahrverbote wurde in der Abwägung eine folgerichtige Entscheidung zu Gunsten des Gesundheitsschutzes ergriffen. Damit wird zumindest eine der Maßnahmen der Umsetzung etwas näher gebracht, die tatsächlich etwas zur Verbesserung der Situation beitragen und die Anzahl der verkehrsbedingten Todesfälle durch Luftschadstoffe reduzieren können. Davon profitieren wir alle und vor allem auch die Autofahrer selbst, die den Schadstoffen besonders ausgesetzt sind und deren eigene Gesundheitsgefährdung bisher viel zu wenig beachtet wird.“

„Zu den Maßnahmen, von denen man zeitnah eine hinreichende Wirkung erwarten darf, gehören neben Fahrverboten vor allem Verpflichtungen zur technischen Nachbesserung an den Fahrzeugen sowie finanzielle Anreize zum Umsteigen auf verträglichere Verkehrsmittel. Zu Letzterem gehören der jüngst in die Diskussion gekommene Nulltarif für Busse und Bahnen im Nahverkehr oder auch City-Maut-Konzepte. Für alle diese Maßnahmen braucht es aber endlich ein entschiedenes Handeln der Bundesregierung. Dies gilt auch für die Fahrverbote, deren bundesweit einheitliche, effiziente Umsetzung die rechtliche Einführung der ‚Blauen Plakette' erfordert. Die Städte allein werden ihre Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend schützen können, und die Bundesregierung kann ihre Verantwortung auch mit dem milliardenschweren Fördertopf ‚Saubere Luft' nicht an die Städte abtreten.“

„Natürlich sollte unbedingt viel getan werden, um die ‚Verkehrswende' zu erreichen und das Zufußgehen, Fahrradfahren und die Nutzung des ÖPNV attraktiver zu machen. Das setzt aber alles auf Freiwilligkeit und es braucht einige Zeit, um unser Verhalten zu ändern. Ein Grundproblem liegt dabei darin, dass den meisten Menschen bisher kaum bewusst ist, wie sehr sie den Luftschadstoffen als Anlieger und als Verkehrsteilnehmer tatsächlich ausgesetzt sind und wie sich das auf ihre Gesundheit und Lebenserwartung auswirkt. Auch in dieser Hinsicht leistet der Leipziger Gerichtsentscheid zu Fahrverboten einen wichtigen Beitrag. Er sollte uns klar machen, dass es letztlich nicht um abstrakte Grenzwerte geht, sondern um Menschenleben. Und das muss uns wichtiger sein als Einschränkungen in der Fahrzeugnutzung für getäuschte Diesel-Pkw-Besitzer oder wirtschaftliche Nachteile für die Automobilindustrie zur Nachrüstung manipulierter Fahrzeuge.“

Dr. Ulrich Franck

Senior Scientist, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ), Leipzig

„Epidemiologische Studien zeigen, dass die Luftbelastung durch NO2 / NOx ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellt. Auch wenn dieses Risiko im Vergleich zu anderen Risiken vergleichsweise gering ist, so können doch viele Stadtbewohner betroffen sein.“

„Da die Belastungen sich kleinräumig – zum Beispiel von Stadtbezirk zu Stadtbezirk, Straße zu Straße und sogar Vorderfront der Häuserzeile hin zur stark befahrenen Straße im Vergleich zur straßenabgewandten Seite – häufig stark unterscheiden, können auch sehr kleinräumige Fahrverbote die am stärksten betroffenen Personengruppen entlasten. Wenn resultierende Umwege zu zusätzlich in der Stadt gefahrenen Strecken führen, werden dafür unter Umständen andere Stadtbewohner stärker belastet, was vielleicht im Sinne der Umweltgerechtigkeit akzeptiert werden muss, aber in der Summe das Gesundheitsrisiko für die Gesamtbevölkerung erhöhen kann.“

„Andere Wege zur Verringerung der Belastung können, wo dies zu verwirklichen ist, kurz- und mittelfristig eine Steuerung des Verkehrs mit dem Ziel optimaler Motorbetriebszustände mit weniger Brems- und Beschleunigungsphasen und verringerter Schadstofffreisetzung, die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen – zuerst solchen mit hohen Fahrleistungen in der Stadt wie Lieferfahrzeugen, Personennahverkehr etc. – und vor allem mittel- wie langfristig die Neuzulassung ausschließlich emissionsarmer Fahrzeuge sein.“

„Mindestens genauso wichtig für die öffentliche Gesundheit wie NO2 ist auch die Verringerung der Luftbelastung durch Feinstaub, bei dem häufig andere Quellen neben dem Straßenverkehr entscheidende Beträge zur Gesamtbelastung liefern.“

Prof. Dr. Ekkehard Hofmann

Geschäftsführender Direktor des Instituts für Umwelt- und Technikrecht (IUTR), Universität Trier

„Das Bundesverwaltungsgericht hatte darüber zu entscheiden, ob die Urteile der Verwaltungsgerichte in Düsseldorf und Stuttgart rechtsfehlerhaft sind. In der Sache ging es darum, ob bereits das geltende Recht Fahrverbote für bestimmte Dieselfahrzeuge zulässt, wenn und soweit dies zur Einhaltung der Grenzwerte für Stickoxide (Düsseldorf) und für Feinstaub (Stuttgart) erforderlich ist, oder ob dies Rechtsgrundlagen voraussetzt, die nur der Bund schaffen könnte. Diskutiert wurde insbesondere, ob solche Fahrverbote dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen und – zentral für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht – die 35. Bundes-Immissions-Schutz-Verordnung (BImSchV), die die Kennzeichnung von Umweltzonen regelt, als Bundesrecht eigene Maßnahmen der Länder im Sinne einer Sperrwirkung verhindert.“

„Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Sperrwirkung jetzt verneint. Der ‚Schwarze Peter‘ liegt nun bei den Ländern – und Kommunen, wo diese als untere Straßenverkehrsbehörden oder eigenständig für Luftreinhaltepläne zuständig sind: Ein weiteres Zuwarten auf die Schaffung weitreichenderer Rechtsgrundlage ist nicht zu rechtfertigen.“

„Zwar sind nicht überall, wo es zu Grenzwertüberschreitungen kommt, auch Fahrverbote erforderlich. Es gibt aber offenbar Städte und Ballungsräume, wo keine andere Maßnahme alleine oder auch im Zusammenwirken mit anderen eine durchgreifende und rasch wirksame Minderung der Immissionsbelastung erwarten ließe. Für diese Fälle kommen nur Luftreinhaltepläne und deren Maßnahmenbündel in Betracht, die alle geeigneten Instrumente einschließlich eines Fahrverbots beinhalten.“

„Zu beachten ist ferner, dass Fahrverbote in ihrer Wirksamkeit von der Befolgungsrate und den für sie einzurichtenden Ausnahmen abhängen. Ein gänzlicher Verzicht auf sie wäre nach gegenwärtiger Lage nur aussichtsreich wenn effektiver Nachrüstungsmaßnahmen für die betroffenen Fahrzeuge ergriffen werden. Es ist keineswegs sicher, dass in besonderen Problemlagen selbst Fahrverbote die Einhaltung der Grenzwerte gewährleisten.“

„Kommt es auch in diesem Jahr zu Grenzwertüberschreitungen in nicht deutlich geminderter Zahl, so dürfte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einleiten mit der höchstwahrscheinlichen Folge einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof EuGH.“

Dr.habil Weert Canzler

Senior Researcher, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Berlin

„Besonders schmutzige Diesel durch Fahrverbote von der Straße zu holen, ist kurzfristig überfällig. Das reicht aber nicht. Jetzt müssen die Blaue Plakette und eine verbindliche Hardwarenachrüstung folgen, um die gesetzlichen Grenzwerte überall einhalten zu können. Die Verbannung und Umrüstung dreckiger Diesel darf jedoch Städte nicht davon abhalten, den Autoverkehr insgesamt zu reduzieren.“

„Auch saubere Autos stehen die meiste Zeit herum und blockieren den öffentlichen Raum. Städtische Lebensqualität bedeutet mehr als Luftgütestandards einzuhalten. Städtische Lebensqualität erreichen wir nur mit sauberen und mit weniger Autos. Es ist kein Wunder, dass die Städte, in denen die Menschen am liebsten leben, wenig Autoverkehr, aber viel Radverkehr und einen attraktiven Öffentlichen Nahverkehr haben.“

„Es ist auch kein Zufall, dass Metropolen wie London, Paris oder Wien die privaten ‚Stehzeuge‘ systematisch herausdrängen und damit Platz schaffen für das Fahrrad und das Zufußgehen.“

Prof. Dr. Edeltraud Günther

Professur für BWL, insbesondere Betriebliche Umweltökonomie, Technische Universität Dresden

„Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht sind marktwirtschaftliche Lösungen zu bevorzugen. Doch wenn externe Kosten nicht internalisiert werden und der Marktmechanismus zu gesamtgesellschaftlichen Fehlsteuerungen führt, sind ordnungspolitische Eingriffe geboten. Diese sollten so ausgestaltet werden, dass der Marktmechanismus Innovationen anregt. Tatsächlich konnten empirische Untersuchungen – sog. Porter-Hypothese de.wikipedia.org/wiki/Porter-Hypothese – nachweisen, dass ordnungspolitische Entscheidungen die Innovationstätigkeit ankurbeln können.“

Mögliche Interessenkonflikte

Alle: Keine angegeben.

Weitere Recherchequellen

Hintergründe zur Stickstoffdioxid liefert unser Fact Sheet "Luftverschmutzung durch Stickstoffdioxid NO2“,

Hintergründe zur Festlegung von Grenzwerten unser Fact Sheet "Wie werden die Grenzwerte für Luftschadstoffe wie Feinstaub und Stickoxide festgelegt?".