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15.11.2021

COP26: Erfolg oder vertane Chance?

Die 26. UN-Klimakonferenz COP26 ist beendet. Zwei Wochen diskutierten und verhandelten Delegierte aus gut 200 Ländern im schottischen Glasgow, um einen gemeinsamen Weg für das Erreichen der Ziele des Pariser Klimavertrages zu erarbeiten und so den fortschreitenden Klimawandel zu begrenzen. Eigentlich sollte der Gipfel am Freitag zu Ende gehen, schließlich wurde bis in den späten Samstagabend um eine gemeinsame Abschlusserklärung [I] gerungen.

Im Vorfeld sahen einige in diesem Klimagipfel die letzte Chance, das Tempo für den Übergang in eine post-fossile Ära entscheidend zu beschleunigen, bevor die Ziele des Pariser Klimavertrages unerreichbar werden. Und tatsächlich haben es etliche ambitionierte, öffentlichkeitswirksam platzierte Zusagen und Selbstverpflichtungen in die Schlagzeilen geschafft, oft mit konkreten zeitlichen Vorgaben. Die Zerstörung der Wälder soll beendet und die Emissionen des potenten Treibhausgases Methan schnell verringert werden, einige Staaten machten verbindliche Zusagen, aus der Kohleverbrennung auszusteigen und die Landwirtschaft klimafreundlich umzubauen, Schiffs- und Flugverkehr sollen klimaneutral werden und ein Bündnis hat das Ende der Autos mit Verbrennungsmotoren festgelegt. Allerdings konnten sich hinter diesen Verabredungen nie alle Staaten versammeln – unterschiedliche Konstellationen von Staaten und anderen Akteuren wie etwa Banken oder Industrieunternehmen haben die verschiedenen Bündnisse unterschrieben.

Was hat die COP26 tatsächlich gebracht? War sie ein Erfolg oder eine vertane Chance? Was bedeuten die Beschlüsse für das Klima und für das 1,5-Grad-Ziel? Sind in Glasgow Dinge entstanden, die neue Dynamiken in den Kampf gegen den Klimawandel bringen könnten? Oder waren es am Ende doch nur viele Worte um wenig substanzielle Entscheidungen?

Übersicht

     

  • Dr. Lambert Schneider, Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik, Abteilung Energie und Klimaschutz, Öko-Institut e.V., Berlin
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  • Wolfgang Obergassel, Co-Leiter des Forschungsbereichs Internationale Klimapolitik, Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie
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  • Dr. Lukas Hermwille, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie
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  • Prof. Dr. Niklas Höhne, Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute, Köln, und Professor für Klimaschutz, Wageningen Universität, Niederlande
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  • Prof. Dr. Sonja Peterson, Professorin im Forschungszentrum "Global Commons und Klimapolitik", Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel
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  • Dr. Joeri Rogelj, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprogramm Energie, Internationales Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA), Laxenburg, Österreich, und Lecturer in Climate Change and the Environment, Faculty of Natural Sciences, The Grantham Institute for Climate Change, Grantham Institute at Imperial College London, Vereinigtes Königreich
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  • Anke Herold, Geschäftsführerin, Öko-Institut e.V., Berlin, und Mitglied der deutschen Delegation bei den Klimaverhandlungen
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  • Dr. Carl-Friedrich Schleussner, Leiter der Forschungsgruppe Zeitliche Entwicklung von Anpassungshindernissen und ihre Bedeutung für klimabedingte Verluste und Schäden, Integratives Forschungsinstitut zum Wandel von Mensch-Umwelt-Systemen (IRI THESys), Humboldt-Universität zu Berlin, und Leiter des Bereiches Klimawissenschaft und Auswirkungen, Climate Analytics, Berlin
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Statements

Dr. Lambert Schneider

Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik, Abteilung Energie und Klimaschutz, Öko-Institut e.V., Berlin

„Nach über sechs Jahren Verhandlungen wurden in Glasgow unter anderem Regeln für den internationalen Emissionshandel zwischen Staaten verabschiedet. Dies war noch eines der fehlenden Regelwerke unter dem Pariser Übereinkommen.“

„Die Ergebnisse zum internationalen Emissionshandel sind gemischt zu bewerten. Ein sehr wichtiges Ziel konnte erreicht werden: Alle Länder müssen ohne Ausnahme eine Doppelzählung von Emissionsminderungen vermeiden. Genau dagegen hatte sich Brasilien in den vergangenen Jahren mit Händen und Füßen gewehrt. Hier in Glasgow hat sich Brasilien bewegt und konstruktiv eingebracht. Mit dem neuen Regelwerk müssen alle übertragenen Emissionszertifikate bilanziert werden, ähnlich wie bei einem Bankkonto. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, musste aber hart erkämpft werden: Es gab jede Menge kreative Vorschläge für Bilanzierungstricks, mit denen die Minderung von einer Tonne CO2 auf zwei Klimaziele angerechnet worden wäre.“

„Andererseits wurde dieser Kompromiss damit erkauft, dass alte Klimaschutzprojekte und Zertifikate aus dem Kyoto-Protokoll in das Pariser Übereinkommen überführt werden. Nach Berechnungen des NewClimate Institutes und des Öko-Instituts könnte die Nutzung dieser alten Klimaschutzprojekte im schlimmsten Fall die Bemühungen zum Klimaschutz um mehrere Milliarden Tonnen CO2 untergraben (siehe Berechnungen in [1]). Allerdings ist sehr fraglich, ob sich angesichts der Reputationsrisiken überhaupt Käufer für diese Zertifikate finden werden.“

„In Glasgow wurde auch kontrovers über die freiwillige Klimakompensation diskutiert. Einige Länder – vor allem Deutschland und die Schweiz – haben sich sehr stark dafür eingesetzt, dass auch bei der freiwilligen Kompensation eine Doppelzählung vermieden muss. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass bei der freiwilligen Kompensation Minderungen erzielt werden, die über die Klimaziele der Länder unter dem Pariser Übereinkommen hinausgehen. Im Ergebnis schafft der getroffene Beschluss die Möglichkeit hierfür: Staaten können Klimaschutzprojekte für die freiwillige Kompensation nun offiziell genehmigen und die erzielten Minderungen dann aus ihrer eigenen Klimabilanz herausrechnen. Allerdings wurde keine Entscheidung dazu getroffen, ob solche Genehmigungen auch zwingend für die freiwillige Kompensation erforderlich sind.“

„Insgesamt schaffen die neuen Regeln von Glasgow zum internationalen Emissionshandel gute Grundlagen, aber sie haben auch zahlreiche Schlupflöcher. Es wird jetzt sehr darauf ankommen, ob und wie Länder das Regelwerk nutzen werden. Die Regeln können ganz klar missbraucht werden und die Bemühungen zum Klimaschutz untergraben. Sie setzen aber auch einen Mindeststandard, der verhindert, dass jedes Land sich einfach selbst nach seinen eigenen Regeln die Klimabilanz schönrechnet. Es war mal wieder ein echter Kompromiss zwischen den so unterschiedlichen Interessen von über 190 Ländern.“

Wolfgang Obergassel

Co-Leiter des Forschungsbereichs Internationale Klimapolitik, Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie

„Die Konferenz in Glasgow hatte unter anderem die wesentliche Aufgabe, politischen Druck zu erzeugen und eine Plattform zu bieten, damit die Staaten ihre Klimaschutzbeiträge erhöhen. Dies ist zum Teil gelungen. Die globalen Emissionen müssen bis 2030 ungefähr halbiert werden, um eine reale Chance zu wahren, das Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die bis zu Beginn der Konferenz vorgelegten Zusagen ließen jedoch nur eine Emissionsminderung von rund sieben Prozent erwarten. Die britische Regierung hat es geschafft, eine Reihe von Vorreiter-Allianzen zu wichtigen Klimaschutzthemen zu organisieren, beispielsweise zum Kohleausstieg, zum Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor und zur Verringerung der besonders klimaschädlichen Methan-Emissionen. Nach hartem Ringen haben die Themen Kohleausstieg und Abschaffung fossiler Subventionen es auch in die Abschlusserklärung geschafft. Es ist ein wichtiger Fortschritt, dass damit erstmals auf einer Klimakonferenz auf höchster Ebene über konkrete Klimaschutzmaßnahmen diskutiert wurde und nicht nur über abstrakte Emissionsreduktionsziele. Aber nach ersten Schätzungen werden die globalen Emissionen 2030 auch mit den neuen Zusagen immer noch rund doppelt so hoch liegen, wie es für das Erreichen der Pariser Ziele eigentlich erforderlich wäre. Es ist daher wichtig, dass die Konferenz die Staaten dazu aufgefordert hat, ihre Anstrengungen nächstes Jahr weiter zu verstärken. Dass es zunächst von einigen Staaten starken Widerstand dagegen gab, diese Aufforderung in die Abschlusserklärung aufzunehmen, zeigt aber gleichzeitig, dass die Verstärkung der Anstrengungen kein Selbstläufer werden wird. Es muss weiterer politischer Druck auf allen Ebenen aufgebaut werden, damit die Staaten ihre Anstrengungen tatsächlich weiter verstärken.“

Dr. Lukas Hermwille

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie

„Die COP ist Höhepunkt eines fortlaufenden Prozesses. Man sollte deshalb nicht nur die vergangenen zwei Wochen bewerten. In den zurückliegenden zwei Jahren hat sich sehr viel bewegt. Besonders positiv war dies beim Thema Kohle. Immer mehr Länder haben den Ausstieg aus der Kohle angekündigt. Es war sehr mutig von der britischen COP-Präsidentschaft, dies schon sehr früh in die Entwürfe des sogenannten Glasgow-Klimapakts aufzunehmen. Mit aller Macht haben einige Staaten – allen voran Indien – versucht, das heraufbeschworene Ende der Kohle aus dem Entwurf heraus zu verhandeln oder zu schwächen. Aber es bleibt bei einem Meilenstein: Zum ersten Mal überhaupt wird explizit auf das Ende der Kohle in einem UNFCCC-Dokument Bezug genommen. Die eingefügten Abschwächungen – ‚phase-down‘ statt ‚phase-out‘ – sowie das theoretische Hintertürchen einer Nutzung von Kohle mit technischer Abscheidung der CO2-Emissionen sind letztlich für die Kohle nicht mehr als eine Rettungsleine aus Spinnenseide.“

„Die Umsetzung von ambitioniertem Klimaschutz muss letztlich immer auf sektoraler Ebene erfolgen; es müssen Energie-, Industrie-, Verkehrs-, und Landwirtschaftssysteme grundlegend transformiert werden. Die britische Regierung hat deshalb bewusst darauf gesetzt, parallel zu dem Verhandlungsprozess sektorale Abkommen und Initiativen voranzutreiben und war damit sehr erfolgreich. Ein solcher sektoraler Ansatz war in dieser Form neu und sollte aus meiner Sicht auch bei zukünftigen Klimaverhandlungen fortgeführt werden.“

Prof. Dr. Niklas Höhne

Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute, Köln, und Professor für Klimaschutz, Wageningen Universität, Niederlande

„Der Prozess hat gezeigt, dass er Entscheidungen treffen kann. Das war nach dem Scheitern der letzten COP in Madrid 2019 wichtig.“

„Lebt das 1,5-Grad-Ziel noch? Glasgow hat das 1,5-Grad-Limit wiederbelebt, es befindet sich jedoch immer noch auf der Intensivstation. Neue nationale Klimaziele und Initiativen haben uns einen kleinen Schritt vorangebracht. Aber mit diesem Tempo ist das 1,5-Grad-Ziel verloren. Es gilt, jetzt sofort mit der Arbeit zu beginnen, die 2030er Klimaziele noch weiter zu stärken. Selbst mit allen neuen Vorschlägen von Glasgow sind die Emissionen im Jahr 2030 immer noch fast doppelt so hoch wie sie für das 1,5-Grad-Ziel sein sollten.“

„Die Entscheidung zu Artikel 6 ist enttäuschend. Sie schwächt das Ambitionsniveau, anstatt es zu stärken. In einer Zeit, in der jede Tonne CO2 zählt, ist dies das Gegenteil von dem, was wir brauchen."

Prof. Dr. Sonja Peterson

Professorin im Forschungszentrum "Global Commons und Klimapolitik", Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel

„Der Teufel steckt immer im Detail. Es ist daher sehr viel schwieriger, sich auf kleinteiligere Definitionen und konkrete nächste Schritte zu einigen als auf einen großen Rahmen und ein langfristiges Ziel wie 2015 in Paris. Positiv ist, dass die COP26 trotz der Abschwächungen im Abschlussdokument ein Signal für den Ausstieg aus fossiler Energie setzt. Dieses Signal wird durch mehrere kleinere internationale Allianzen – etwa die Beyond Oil and Gas Alliance und die Powering Past Coal Alliance – verstärkt und gibt Marktakteuren entscheidende Signale. Wichtig ist auch, dass der Fokus nicht nur auf CO2 lag – die Vereinbarungen zu Methan sind ein wichtiges Zeichen. Schließlich geben der Dialog und die Vereinbarungen der beiden größten Emittenten USA und China Hoffnung für weitere Schritte in der Zukunft.“

Dr. Joeri Rogelj

Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprogramm Energie, Internationales Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA), Laxenburg, Österreich, und Lecturer in Climate Change and the Environment, Faculty of Natural Sciences, The Grantham Institute for Climate Change, Grantham Institute at Imperial College London, Vereinigtes Königreich

„Die COP26 hat eine historische Leistung erbracht und ist gleichzeitig hinter den Hoffnungen und Erwartungen Vieler zurückgeblieben. Wenn ich als Wissenschaftler und Bürger dieses Planeten darüber nachdenke, sehe ich Gründe, stolz zu sein, hoffnungsvoll zu sein und tief besorgt zu sein. Ich bin stolz, weil die Wissenschaft noch nie so stark in die COP-Entscheidungen eingeflossen ist. Sie bilden den Rahmen für die Dringlichkeit und die Erfordernisse der vor uns liegenden Herausforderung und informieren darüber. Ich bin hoffnungsvoll, weil viele Beschlüsse einen entscheidenden Schritt nach vorne bedeuten. Die Regeln für die Umsetzung des Pariser Abkommens sind nun beschlossen. Mit den erneuerten und verstärkten Zusagen für die nationalen Beiträge (NDCs) ist der Temperaturanstieg deutlich niedriger angesetzt, als noch vor einem Jahr von Wissenschaftlern geschätzt – im besten Fall knapp unter zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau. Dies ist eine enorme Leistung, aber noch nicht ausreichend für das 1,5-Grad-Ziel. Zudem müssen die Zusagen noch in Pläne und Maßnahmen umgesetzt werden. Und schließlich bin ich zutiefst besorgt, denn der Klimawandel schreitet voran und verschlimmert sich mit jedem Jahr, das wir warten. Die Fortschritte auf der COP26 waren das Beste, was die Welt zu diesem Zeitpunkt zu tun bereit war – Hut ab vor dem britischen COP26-Team –, aber sie reichen bei weitem nicht aus."

„Wir schauen in die richtige Richtung, aber wir müssen anfangen, uns zu bewegen. Die globalen Emissionen müssen zurückgehen und zwar sofort, schnell und äußerst dringend.”

Anke Herold

Geschäftsführerin, Öko-Institut e.V., Berlin, und Mitglied der deutschen Delegation bei den Klimaverhandlungen

„Die COP26 ist ein Erfolg, weil damit nun das Regelwerk, das für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens notwendig ist, vollständig verabschiedet wurde. Damit kann nun die Umsetzungsphase beginnen, in der dann die Staaten zeigen müssen, dass sie ihre angekündigten Ziele auch tatsächlich erfüllen und dass die Ankündigungen nicht nur leere Versprechen waren.“

„Auch die Finanzierungszusagen an die Entwicklungsländer sind positiv. Es sollen hier künftig deutlich mehr als die 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr bereitgestellt werden. Die finanzielle Unterstützung für Klimaanpassung an die Entwicklungsländer soll verdoppelt werden. Wenn man sich vor Augen führt, dass die Bundesregierung in Deutschland in diesem Jahr 30 Milliarden Euro für die Schäden der Überflutungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zur Verfügung gestellt hat, dann wird deutlich, dass 100 Milliarden US-Dollar für alle Entwicklungsländer für Emissionsminderung, Anpassung und Klimaschäden den Finanzierungsbedarf ganz sicher noch nicht ausreichend decken.“

„In Bezug auf die globale Emissionsminderung war die COP erfolgreich. Bis 2030 sollen die globalen Emissionen um 45 Prozent gegenüber 2010 sinken, und bis 2050 sollen global Netto-Null Emissionen erreicht werden. Das ist eine deutlich konkretere Umsetzung der Minderungsziele als bisher, die auch eindeutig messbar und überprüfbar ist.“

„Es ist auch das erste Mal, dass es gelungen ist, direkt den Ausstieg aus den fossilen Energien in den Entscheidungen zu verankern – auch wenn die Formulierungen hier am Ende aufgeweicht wurden und nicht mehr der Ausstieg aus der Kohleverfeuerung, sondern nur eine verringerte Nutzung blieb. Es wurde nun auch beschlossen, dass die langfristigen Strategien zum Klimaschutz ein Netto-Null-Ziel enthalten müssen – das ist im Pariser Abkommen so noch nicht enthalten. Damit wird die Umsetzung greifbarer und kann besser kontrolliert werden. An der Herausforderung für die Umsetzung in den Staaten ändert sich damit jedoch nicht viel.“

Auf die Frage, inwiefern die auf der COP26 beschlossenen Initiativen erfolgversprechend sind:
„Mehr als 100 Regierungsvertreter haben ein Ende der Abholzung der Wälder bis 2030 versprochen, auch der brasilianische Präsident Bolsonaro. Dafür sollen etwa 20 Milliarden US-Dollar an die Entwicklungsländer fließen. Es gab schon einige dieser Ankündigungen in der Vergangenheit, die Entwaldung zu stoppen und es ist auch viel Geld geflossen. Die Abholzung ging weiter. Es gibt zu viele waldreiche Länder mit einer fehlenden Forstverwaltung, die notwendig ist, um illegale Entwaldung zu beenden und Gesetze durchzusetzen. Und es gibt zu viele Ländern mit viel Korruption in diesem Sektor. Nicht einmal die EU schafft es, die Entwaldung in Naturschutzgebieten in Polen oder Rumänien wirklich zu beenden. Ich denke nicht, dass diese Erklärung an der internationalen Entwaldung etwas ändern wird.“

„In einem neuen Pakt von mehr als 100 Regierungsvertretern auf Initiative der USA und der EU sollen die globalen Methan-Emissionen um 30 Prozent bis 2030 gegenüber 2020 reduziert werden. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass 70 Prozent dieser Emissionen aus der Öl- und Gasförderung vermieden werden könnten und dass 45 Prozent der Emissionen ohne zusätzliche Kosten eingespart werden könnten. In den USA sind die Methan-Emissionen aus der Öl- und Gasförderung im jüngsten Berichtsjahr gerade noch einmal um drei Prozent gestiegen. Insbesondere die Emissionen aus dem Fracking bei der Gasproduktion sind deutlich höher als aus der normalen Gasförderung. Dennoch wurde in den vergangenen Jahren nichts unternommen, diese Emissionen zu reduzieren, obwohl die Vermeidung kosteneffizient ist. Das ist einer der Bereiche, wo es unverständlich ist, dass nicht schon längst viel mehr reduziert wurde. Gleichzeitig ist Russland als großer Öl- und Gasproduzent mit hohen Methan-Emissionen und auch viele andere große öl- und gasproduzierende Länder bisher nicht Teil dieser Initiative. Es gibt auch bereits seit 2004 eine globale Methan-Initiative mit gleichen Zielen. Eine ehrliche Bilanz und Analyse, warum bei Methan in den vergangenen zehn Jahren so wenig erreicht wurde, würde uns wahrscheinlich weiter bringen als ein neuer Aufguss der globalen Initiativen.“

Auf die Frage, inwiefern die Beschlüsse der COP26 den Umgang mit nationalen Beiträgen (NDCs) verändern:
„Ein erheblicher Erfolg, der weniger im Licht der Öffentlichkeit steht, sind die Entscheidungen zum Transparenzrahmen. Hier wollten Saudi-Arabien und China als Vertreter der Gruppe der ‚gleichgesinnten Staaten‘ durchsetzen, dass die Entwicklungsländer keine Hintergrunddaten für die Emissionsberechnung berichten müssen, sodass deren Emissionsberechnung nicht nachvollziehbar wäre - dies ist nicht gelungen. Auch die Datentabellen zur Fortschrittskontrolle der nationalen Ziele sollten nach dieser Gruppe für die Entwicklungsländer künftig freiwillig sein - auch hier sind nun alle Berichtstabellen für alle Staaten verpflichtend. Eine transparente Berichterstattung aller Staaten ist enorm wichtig, um künftig transparent kontrollieren zu können, ob alle Staaten ihre Ziele auch wirklich umsetzen. Die Daten und Berichte werden auch von Experten überprüft und anschließend müssen sich die Staaten alle zwei Jahre den Fragen der anderen Staaten zu ihrer Umsetzung stellen. Damit gibt es künftig einen Prozess, der die Umsetzung kontrolliert. Allerdings kann kein internationales Abkommen der Welt eine unwillige Regierung dazu zwingen, den Ausstieg aus den fossilen Energien durchzusetzen. Diese Regierungen können auch künftig nur sinnbildlich an den Pranger gestellt werden.“

„Die Nachschärfung der NDCs wird wie bisher dokumentiert und dann berechnet, welche globale Minderung erreicht wird. Da müssen wir nun sehen, ob den mündlichen Ankündigungen während der Klimakonferenz auch tatsächlich verschärfte NDCs folgen. Einige Staaten haben solche dann während der COP auch schon übermittelt, aber leider nicht alle.“

Dr. Carl-Friedrich Schleussner

Leiter der Forschungsgruppe Zeitliche Entwicklung von Anpassungshindernissen und ihre Bedeutung für klimabedingte Verluste und Schäden, Integratives Forschungsinstitut zum Wandel von Mensch-Umwelt-Systemen (IRI THESys), Humboldt-Universität zu Berlin, und Leiter des Bereiches Klimawissenschaft und Auswirkungen, Climate Analytics, Berlin

„Glasgow war der erste große Test des Pariser Abkommens. Der wurde bestanden. Sicherlich nicht mit Bestnote, auch nicht ‚gut‘, aber – je nach Perspektive – vielleicht ‚befriedigend‘. Der Multilateralismus ist im Moment in schwerem Fahrwasser, aber zumindest beim Thema Klimaschutz scheinen die Länder der Welt noch zusammenzukommen. Die ausstehenden Elemente des Regelwerks des Pariser Abkommens zu Transparenz und Marktmechanismen konnten verabschiedet werden. Da galt es, sehr dicke Bretter zu bohren. Das ist gelungen.“

„Die Mitgliedsländer waren zur COP26 aufgefordert, ihre nationalen Ziele für 2030 zu revidieren und sich Langzeitziele zu setzen. Das haben viele, aber längst nicht alle getan. Die Länder, die über 90 Prozent der globalen Emissionen auf sich vereinen, haben sich Null-Emissions-Ziele für um die Mitte des Jahrhunderts gesetzt. Das ist ein Erfolg. Gleichzeitig ist es nicht gelungen, die Ambitionslücke für 2030 zu schließen, zudem klafft zwischen den Versprechungen von Null-Emissionen bis 2050 und den konkreten Handlungen im Hier und Jetzt eine große Glaubwürdigkeitslücke. Die muss dringend geschlossen werden.“

„Im Klimapakt von Glasgow haben sich die Länder deutlicher denn je zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels bekannt und dazu, in der ‚entscheidenden Dekade‘ entschlossen zu handeln. Ob Glasgow ein Erfolg sein wird, hängt entscheidend davon ab, ob dies mehr als nur warme Worte sind. Wenn es gelingt, schon im nächsten Jahr deutliche Fortschritte beim Schließen der 2030-Lücke bei der Emissionsreduktion zu machen und gleichzeitig auch die Bereitstellung von Finanzmitteln für die Entwicklungsländer – ein Knackpunkt der Glasgow-Verhandlungen – deutlich zu erhöhen, kann die COP26 ein Startschuss für ein Jahrzehnt des entschlossenen Handelns sein. War Glasgow ein Durchbruch? Nur die Zeit wird es zeigen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Lambert Schneider: „Ich war Teil des EU-Verhandlungsteams in Glasgow und bin auch Mitglied im CDM-Exekutivrat."

Dr. Joeri Rogelj: „Keine.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Schneider L et al. (2021): The potential impact of transitioning CDM units and activities to the Paris Agreement - Understanding implications of key policy choices on the table in Glasgow. Webinar des Öko-Institut und NewClimate Institut vom 21.10.2021, PowerPoint-Präsentation.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] UNFCCC (2021): Outcomes of the Glasgow Climate Change Conference - Advance Unedited Versions (AUVs). Webseite der UN-Klimarahmenkonvention.

Weitere Recherchequellen

Science Media Center (2021): Vor Beginn der Weltklimakonferenz in Glasgow: Was wird wichtig auf der COP26?. Press Briefing. Stand: 25.10.2021