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30.04.2021

Grüne Gentechnik im Dienst der Ökologie – Welchen Beitrag können gentechnisch veränderte Pflanzen beim Schutz der Umwelt leisten?

Der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen ist in der Europäischen Union streng reguliert. Am 29.04.2021 veröffentlichte die EU-Kommission eine mit Spannung erwartete Studie, in der festgestellt wird, dass aufgrund der rapiden technischen Fortschritte in der Gentechnik eine Überarbeitung der bestehenden Regulation in Betracht gezogen werden sollte [I]. In der Zusammenfassung heißt es unter anderem, „dass neue Gentechnik-Produkte das Potenzial haben, zu nachhaltigen Agrarnahrungsmittelsystemen im Einklang mit den Zielen des europäischen Green Deal und der Farm-to-Fork-Strategie beizutragen.” Nun nimmt die Diskussion um die Verwendung der grünen Gentechnik wieder Fahrt auf.

Die Befürworter sehen in den „neuen” Techniken der grünen Gentechnik – wie zum Beispiel der Genschere CRISPR/Cas9 – großes Potenzial, zukünftigen Herausforderungen der Landwirtschaft zu begegnen. Das Züchten neuer resistenter und dem Klimawandel angepasster Sorten könne damit schneller und präziser umgesetzt werden. Sie argumentieren auch, dass eine erfolgreiche Umsetzung der Farm-to-Fork-Strategie des europäischen Green Deal-Vorhabens und damit das Erreichen der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen nur gelingen kann, wenn die Regulierung von gentechnisch veränderten Pflanzen in Europa angepasst wird [II]. In einer gemeinsamen Stellungnahme der Leopoldina, DFG und Akademienunion unterstützen zahlreiche Forschende die Empfehlung, das Europäische Gentechnikrecht zu novellieren [III]. 

Kritische Stimmen argumentieren hingegen, dass die strenge Regulierung von gentechnisch veränderten Pflanzen beibehalten werden muss. Basierend auf das Vorsorgeprinzip sollen gentechnisch veränderte Sorten an ein Nachzulassungsmonitoring gekoppelt sein. Dieses soll unerwartete Effekte bei der Kultivierung oder die Entstehung von potenziell gesundheitsgefährdenden Elementen aufspüren. Darüber hinaus sollen gentechnisch veränderte Produkte gekennzeichnet werden, damit der Verbraucher sie klar erkennen kann. Einige Forschende fordern sogar eine strengere Regulierung als bisher verordnet, da sie die Wirksamkeit, Sicherheit und den Nutzen als nicht bestätigt sehen [IV]. 

Wir möchten die aktuelle Diskussion zum Anlass nehmen und gemeinsam mit drei Experten zu erläutern, wie der aktuelle Stand in der Pflanzenzüchtungsforschung ist. Welche geneditierten Pflanzen haben Züchter bereits erzeugen können, die nur auf eine Änderung der Regulierung warten? Welche Vorteile kann die Züchtung von gentechnisch veränderten Pflanzen wirklich bieten? Welches Potenzial hat der Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen beim Umweltschutz und inwiefern wäre die Anwendung in der ökologischen Landwirtschaft denkbar? 

Diese Fragen – und Ihre – beantworteten die Experten in einem 50-minütigen Press Briefing.

Experten auf dem Podium

     

  • Prof. Dr. Andreas Weber
    Leiter des Instituts Biochemie der Pflanzen, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
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  • Dr. Jon Falk
    Geschäftsführer von Saaten-Union Biotec GmbH, Leopoldshöhe
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  • Prof. Dr. Gunter Backes
    Fachgebietsleiter Ökologische Pflanzenzüchtung und Agrarbiodiversität, Universität Kassel
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Abschluss-Statements aus dem Press Briefing

Das SMC hat die Experten am Ende des Press Briefings um kurze Zusammenfassungen zum Thema gebeten. Diese möchten wir Ihnen nachfolgend als Statements zur Verfügung stellen.

Dr. Jon Falk

Geschäftsführer von Saaten-Union Biotec GmbH, Leopoldshöhe

„Ich finde, Dialog ist wichtig. Nur durch Überzeugung und Vertrauen kommen wir da einen Schritt weiter. Wir haben sehr viel Potenzial mit dieser Technik, und da muss man offen darüber reden und nicht von vornherein alles ausschließen. Das sagt eigentlich diese Studie der Europäischen Kommission zu neuen Gentechniken. Wir brauchen eigentlich einen Dialog, und wir brauchen eine Anpassung, weil diese neuen Techniken durch die bisherige Gesetzgebung nicht so abgedeckt werden, wie das notwendig ist.“

Prof. Dr. Andreas Weber

Leiter des Instituts Biochemie der Pflanzen, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

„Ich sehe in der Gentechnik einfach nur eine riesengroße Chance für den gesamten Bereich der Landwirtschaft und natürlich auch darüber hinaus, auch in der Medizin. Und ich fände es einfach extrem schade, wenn wir die Chance nicht nutzen würden. Denn damit vergeben wir uns die Möglichkeiten, es für uns alle irgendwo besser zu machen.“

Prof. Dr. Gunter Backes

Fachgebietsleiter Ökologische Pflanzenzüchtung und Agrarbiodiversität, Universität Kassel

„Ich bin alt genug, um die gleichen Argumente gehört zu haben, als man die klassische genetische Transformation eingeführt hat. Das war sehr, sehr ähnlich. Außer: jetzt ist es alles besser. Die ökologische Landwirtschaft sollte sich meiner Meinung nach in diesem Punkt sehr weit zurücknehmen. Ich bin gespannt zu sehen, was die Entwicklung bringt, ob die vielen positiven Statements zu neuen Gentechnikmethoden, die hier mitgegeben werden, tatächlich bewahrheiten. Ich bin skeptisch und bleibe dabei: Die neuen Gentechniken müssen in einem Systembild zeigen, dass es da wirklich in die richtige Richtung geht und dass wir nicht wieder alte Dinge stabilisieren, die wir eigentlich ändern möchten.“

Video-Mitschnitt & Transkript

 

Ein Transkript finden Sie hier.

Literaturstellen, die vom SMC verwendet wurden

[I] Europäische Kommission (2021): ‪Study on the status of new genomic techniques under Union law and in light of the Court of Justice ruling in Case C-528/16.

[II] Purnhagen KP et al. (2021): Europe’s Farm to Fork Strategy and Its Commitment to Biotechnology and Organic Farming: Conflicting or Complementary Goals? Trends in Plant Science. DOI: 10.1016/j.tplants.2021.03.012. 

[III] Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Deutsche Forschungsgemeinschaft und Union der deutschen Akademien der Wissenschaften (2019): Wege zu einer wissenschaftlich begründeten, differenzierten Regulierung genomeditierter Pflanzen in der EU / Towards a scientifically justified, differentiated regulation of genome edited plants in the EU. Halle (Saale). 

[IV] European Network of Scientists for Social and Environmental Responsibility (ENSSER) and Critical Scientists Switzerland (CSS) (2021): Scientific critique of Leopoldina and EASAC statements on genome edited plants in the EU.

Weitere Recherchequellen

Science Media Center (2017): Neue Definition für Grüne Gentechnik wegen CRISPR-Cas, TALEN und Co.? Rapid Reaction. Stand: 14.02.2017.

Science Media Center (2018): EuGH entscheidet über CRISPR-Cas und Grüne Gentechnik. Rapid Reaction. Stand: 24.07.2018.