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05.09.2016

Feinstaub und Alzheimer

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Eisenoxid-Nanopartikeln, die Teil des anthropogenen Feinstaubs sind, und einer Alzheimer-Erkrankung? Diese These untersucht eine Studie, die am Montag, 05.09.2016, in der Fachzeitschrift „PNAS" erschienen ist. Die Autoren untersuchten Proben aus Gehirnen von 38 Menschen aus Mexiko-Stadt und Manchester. In allen Proben fanden sie Ansammlungen der Eisenoxid-Nanopartikel.

Unser Factsheet liefert Ihnen weitere Informationen zum Thema Feinstaub und dessen gesundheitliche Auswirkungen.

 

Übersicht

  • Dr. Wolfgang Kreyling, Externer wissenschaftlicher Berater des Helmholtz Zentrum München

Dr. Wolfgang Kreyling

Externer wissenschaftlicher Berater des Helmholtz Zentrum München

„Die aktuelle Studie ist von äußerster Wichtigkeit, weil es bereits unterschiedlichste Hinweise und jede Menge Spekulationen darüber gibt, ob und wenn ja wie anthropogen erzeugte mineralische Nanopartikel in das Gehirn einwandern und sich dort ansammeln können. Könnten sich diese Nanopartikel tatsächlich über Jahre in Gehirnen von Menschen anreichern, die in urbanisierten Regionen mit hoher Luftverschmutzung leben und diesen Schadstoffen kontinuierlich ausgesetzt sind, dann würden Entzündungsprozesse wahrscheinlich, die am Ende zu unterschiedlichen Krankheiten führen könnten – dazu zählten dann zum Beispiel neurodegenerative Erkrankungen und Krebs. Neben den vielen anderen Aspekten von Feinstaub ist es jedoch eine enorm schwierige wissenschaftliche und methodische Herausforderung, zum einen hinreichende Beweise für den Transport von Feinstaub-Nanopartikel in das Gehirn zu erbringen und zum anderen den stichhaltigen Nachweis zu führen, dass diese Partikel mit dem Auftreten von Krankheiten in Verbindung stehen.“

„Die Studie untersucht Proben aus Gehirnen von Verstorbenen aus Mexiko-Stadt und aus Manchester, wobei letztere eine neurodegenerative Erkrankung aufwiesen. Ein solcher Vergleich liefert zwar einige Hinweise auf die Schlussfolgerung, die die Autoren der Studie aus ihren Ergebnissen zu ziehen versuchen. Eine solche Studie bräuchte aber zwei Nachweise, um die aufgestellten Behauptungen untermauern zu können: Zum Einen bedarf es weiterer Untersuchungen mit sorgfältig ausgewählten Kontrollgruppen, die überprüfen müssten, ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen dem Nachweis der Eisenoxid-Nanopartikel in den autopsierten Gehirnen und dem Ausbruch der Alzheimer-Erkrankung gibt oder eben nicht. In der aktuellen Studie fehlt bisher ein Vergleich der untersuchten Alzheimer-Gehirne aus Manchester mit gleichaltrigen Verstorbenen einer Kontrollgruppe, die aus anderen Gründen verstorben sind. Der behauptete Zusammenhang zwischen den rundlichen Eisenoxid-Nanopartikel in den Gehirnen der Patienten aus Manchester und der Ausbildung der Alzheimer-Krankheit ist daher bisher nicht als Beweis, sondern als bloße Interpretation der Autoren zu betrachten. Zum Zweiten zeigen die Autoren der Studie, dass sich in allen Proben aus Mexiko-Stadt auffallend viele runde Eisenoxid-Nanopartikel finden. Es ist wahrscheinlich, aber durch die vorliegenden Daten nicht bewiesen, dass die Nanopartikel eine Folge der hohen Luftverschmutzung in Mexiko-Stadt sind. Dazu fehlt als stichhaltiger Beweis die Untersuchung einer Kontrollgruppe, die in einer mexikanischen Region mit geringerer Luftbelastung lebte. Damit bleibt die Frage offen, ob die runden Eisenoxid-Nanopartikel in den Gehirnen von Einwohnern in Mexiko-Stadt irgendeine Rolle spielen bei neurodegenerativen Erkrankungen.“

„Zusammenfassend lässt sich sagen: die Ergebnisse der Studie sind zum einen ein wichtiger Schritt für das bessere Verständnis, welche Rolle Eisenoxid-Nanopartikel im Gehirn von Patienten mit neurodegenerativen Krankheiten spielen könnten. Zum anderen zeigen die Untersuchungen aus Mexiko-Stadt, dass es wahrscheinlich ist, dass die Ansammlung der Nanopartikel im Gehirn aus der verschmutzten Luft dort stammen. Dennoch: die zwingende mechanistische Verknüpfung zwischen beiden Teilen der aktuellen Untersuchung fehlt. Die Suche nach einem ursächlichen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und neurodegenerativen Erkrankungen muss also weitergehen.“

Mögliche Interessenkonflikte

Alle: Keine angegeben.

Primärquelle

Maher, B.A. et. al. (2016): Magnetite pollution nanoparticles in the human brain. PNAS. DOI: 10.1073/pnas.1605941113