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22.11.2022

Beckenbodenprobleme seltener nach Kaiserschnitt

     

  • Studie zeigt geringeres Risiko für Beckenbodenkomplikationen nach erneuter Kaiserschnittgeburt
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  • die Studie stützt vorangegangene Untersuchungen mit ähnlichen Ergebnissen
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  • Bedeutung für die Geburtsberatung Forschenden zufolge allerdings gering
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Ein zweiter Kaiserschnitt verringert das Risiko für Beckenbodenoperationen in den Folgejahren. Zu diesem Ergebnis kommt eine britische Studie von Forschenden aus Oxford, die Daten von 47.414 Frauen auswertet haben, die ihr erstes Kind per Kaiserschnitt entbunden hatten (siehe Primärquelle). 15.742 Frauen erhielten auch bei der Geburt des zweiten Kindes einen Kaiserschnitt, wohingegen 31.672 Frauen vaginal entbanden. Nach einem durchschnittlichen Beobachtungszeitraum von 22,1 Jahren mussten sich 1159 der insgesamt 47.414 Frauen einer Beckenbodenoperation unterziehen. Eine vaginale Entbindung war im Vergleich zu einem erneuten Kaiserschnitt mit einem mehr als zweifach erhöhten Risiko für eine Beckenbodenoperation verbunden, wenngleich die Inzidenz für eine solche Operation in beiden Gruppen sehr gering war.

Die Forschenden schlussfolgern, dass ihre Ergebnisse nützliche zusätzliche Informationen für die Geburtsberatung insbesondere beim zweiten Kind liefern können. Allerdings thematisieren die Autoren in ihrer Diskussion nicht die Risiken, die im Vergleich zur vaginalen Geburt generell mit einem Kaiserschnitt einhergehen. Dazu gehören ein stärkerer Blutverlust, ein erhöhtes Risiko für Venenthrombosen, Lungenembolien und das postthrombotische Syndrom. Auch ist das Risiko für Wundinfektionen und Tod höher als bei vaginalen Geburten. Darüber hinaus entstehen durch einen Kaiserschnitt Risiken für nachfolgende Schwangerschaften wie eine Fehllage der Plazenta, Fehl- oder Totgeburt [I] [II].

Expertinnen aus dem Fachbereich der Gynäkologie schätzen nachfolgend ein, inwiefern die Studie einen Beitrag zur bestehenden Evidenz für das Risiko für Beckenbodenkomplikationen abhängig von der Geburtsmethode liefert und inwiefern die Erkenntnisse im Verhältnis zu anderen Komplikationen, die durch die Geburtsmethode für Mutter und Kind entstehen, eingeordnet werden sollten.

Übersicht

     

  • Dr. Kaven Baeßler, Leiterin Beckenboden- und Kontinenzzentrum, Franziskus-Krankenhaus Berlin sowie Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft für Urogynäkologie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG)
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  • Dr. Anne Heihoff-Klose, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin , Universitätsklinikum Leipzig
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  • Prof. Dr. Michael Abou-Dakn, Chefarzt in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, St. Joseph Krankenhaus Berlin Tempelhof
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Statements

Dr. Kaven Baeßler

Leiterin Beckenboden- und Kontinenzzentrum, Franziskus-Krankenhaus Berlin sowie Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft für Urogynäkologie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG)

„Jede Schwangerschaft, jede Geburt, aber insbesondere die vaginale Geburt, erhöht das Risiko, eine Beckenbodendysfunktion zu entwickeln. Dies ist hinlänglich bekannt. Ein Kaiserschnitt schützt signifikant vor Senkungszuständen von Gebärmutter und Scheide. Hinsichtlich der Harninkontinenz ist der Schutz weniger deutlich ausgeprägt. Insgesamt ist allein das weibliche Geschlecht ein Risikofaktor.“

„Während die häufige postpartale (nach der Geburt eines Kindes; Anm. d. Red.) Belastungsharninkontinenz gut konservativ und operativ behandelbar ist, sind die Optionen bei Senkungszuständen geringer, da es sich zu einem großen Teil um ein Bindegewebs- und nicht um ein Muskelproblem handelt. Pessare (Hilfsmittel, die bei Damen mit Inkontinenz eingesetzt werden, zum Beispiel Ringe oder Würfel; Anm. d. Red.) gehören hier zur konservativen Therapie.“

„Die vorliegende Studie kommt aus einem großen urogynäkologischen Zentrum aus UK, die Erst- und Zweit-AutorInnen sind bekannte Namen mit vielen Publikationen.“

„Ausgewertet wurde ein Register mit über 47.000 Geburten bei Frauen mit vorangegangener Sectio von 1983 bis 1996 (etwas, wovon man in Deutschland nur träumen kann, solche Daten lassen sich bei uns nicht erheben, wir wissen eigentlich nichts über unsere Patientinnen). Es erfolgte ein simples Design, alle Frauen mit Lebendgeburten am Termin nach vorangegangener Sectio wurden nachverfolgt.“

„Die Stärken der Erhebung sind das langjährige Follow-Up von 20 Jahren. Das ist exzellent, weil Beckenbodenprobleme häufig erst Jahre nach der Geburt auftreten, wenn andere Risikofaktoren wie Wechseljahre und Alter hinzukommen. Auch die Größe der Kohorte ist eine Stärke der Studie.“

Aus meiner Sicht sollte vor jeder Geburt eine Aufklärung über mögliche Beckenboden-Folgeschäden erfolgen, damit die Frau eine informierte Entscheidung fällen kann, zum Beispiel mithilfe des UR-Choice-Rechners. Frauen wollen informiert sein, die wenigsten werden sich für einen Kaiserschnitt entscheiden.“

Auf die Frage, ob man nicht jeder Frau auch bei Erstgeburt zu einem Kaiserschnitt raten müsse, damit sie keine Beckenbodenkomplikationen befürchten muss:
„Nein, wenn sie keine der bekannten Risikofaktoren aufweist. Dazu gehören: kleine, übergewichtige Frau mit geschätztem Kindsgewicht über 4.000 Gramm und einer positive Familienanamnese. Beckenbodenschäden muss jede Frau befürchten. Kaiserschnitte, insbesondere, wenn es mehr als zwei werden, haben möglicherweise fatale Komplikationen für Mutter und Kind.“

Auf die Frage, wie relevant das Risiko ist für mögliche Komplikationen des Beckenbodens nach Vaginalgeburt im Verhältnis zu anderen Geburtskomplikationen für die Mutter (wie zum Beispiel psychische Belastung durch Kaiserschnitt-OP):
„Ein psychisches Trauma speziell nach Sectio kann zwar auftreten, ist aber selten. In meiner Sprechstunde sind vor allem Frauen, die nicht aufgeklärt wurden und frustriert und traumatisiert sind, weil ‚das hat mir keiner gesagt‘ und sie auch nicht in die Entscheidungsprozesse ausreichend einbezogen wurden.“

Auf die Frage, wie relevant das Risiko für Beckenbodenkomplikationen bei der Entscheidung zur Entbindungsmethode ist:
„Wahrscheinlich spielt es in Deutschland keine Rolle, in anderen Ländern besteht inzwischen eine Pflicht zur Aufklärung über Beckenboden-Probleme, zum Beispiel in Australien.“

„Ich würde Fakten, wie den Grund für den ersten Kaiserschnitt in die Entscheidung einbeziehen, zum Beispiel ein zu großes Kind, Missverhältnis zwischen Kindskopf und Becken, kindliche Fehleinstellung bei Geburt wie sogenannte Sternengucker. Das größte Risiko besteht in einer Uterusruptur unter der vaginalen Geburt durch die Wehen.“

Auf die Frage, in welchem Verhältnis bei der Abwägung der Entbindungsmethode die gesundheitlichen Auswirkungen eines Kaiserschnitts auf das Kind im Verhältnis zu möglichen Folgekomplikationen durch die Geburtsmethode steht:
„Das Kind kann vorübergehend Anpassungsschwierigkeiten haben und auch das Mikrobiom braucht etwas länger, um sich zu entwickeln.“

„Das Paper schließt aus meiner Sicht eine Wissenslücke. Jegliche vaginale Geburt, auch nach vorangegangenem Kaiserschnitt, erhöht das Risiko einer Beckenbodendysfunktion. Dies sollte bei der Besprechung des Geburtsmodus beachtet werden. Insgesamt war jedoch die Rate an Operationen von 2,4 Prozent sehr gering. Eine von den AutorInnen anerkannte Schwäche ist, dass weitere Risikofaktoren wie Body-Mass-Index nicht ausgewertet werden konnten, da sie nicht erhoben wurden.“

Dr. Anne Heihoff-Klose

Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin , Universitätsklinikum Leipzig

„Die Kernaussage, dass Frauen nach einem Kaiserschnitt mit anschließender Spontangeburt ein 2,3-fach höheres Risiko haben einen chirurgischen Eingriff wegen Beckenbodenfunktionsstörungen mit durchschnittlich 51 Jahren zu erhalten, kann bedingt zur Beratung von Frauen genutzt werden. Bei Primipara (Erstgebärenden; Anm. d. Red.) zeigt sich das Risiko für eine Harninkontinenz nach spontaner vaginaler Entbindung in der Literatur zwei- bis dreimal so hoch wie nach Sectio caesarea (Kaiserschnittentbindung; Anm. d. Red.) [1][2][3]. Für eine anale Inkontinenz beschreibt die Literatur ein attributales Risiko durch vaginale Entbindung von 5,5 bis 41 Prozent [4][5]. Mehrere Jahre nach Entbindung findet sich in der Literatur hingegen meist kein signifikanter Unterschied hinsichtlich des Risikos einer analen oder fäkalen Inkontinenz [6][7][3]. Eine Kohortenanalyse von Gyhagen et al. zeigt 20 Jahre nach der Geburt eines Kindes ein erhöhtes Risiko für eine fäkale Inkontinenz bei Primipara nach vaginaler Entbindung [8]. Ein Genitaldescensus (Scheidensenkung; Anm. d. Red.) findet sich in der klinischen Untersuchung nach einer vaginalen Entbindung häufiger als nach einer Sectio caesarea [9][10]. Die Prävalenz eines symptomatischen oder behandlungsbedürftigen Genitaldescensus ist in den ersten Jahren postpartal nach vaginaler Entbindung nicht erhöht [11][3], etwa zwanzig Jahre postpartal zeigt sich allerdings ein protektiver Effekt einer Sectio caesarea [8][12][13]. Hinsichtlich einer Sexualdysfunktion scheint eine Sectio caesarea protektiv zu sein [11]. Allerdings ist nach Sectio caesarea die sexuelle Zufriedenheit geringer [14].“

„Weitere Risikofaktoren für die Entwicklung von Beckenbodenfunktionsstörungen wurden bereits in zahlreichen Studien untersucht und im Zusammenhang mit einer Entbindung im UR-CHOICE-Score beschrieben. Dabei werden die Risikofaktoren Harninkontinenz vor der Schwangerschaft, Ethnie, Alter der ersten Entbindung, Körpergröße und BMI der Mutter, positive Familienanamnese für Beckenbodenfunktionsstörungen, Anzahl der gewünschten Kinder, sowie das geschätzte fetale Gewicht einbezogen [29].“

Auf die Frage, wie die Methodik der Studie einzuschätzen ist:
„Die retrospektive Datenanalyse mit einem Follow-Up von 21 Jahren hat mit einer Fallzahl von 47.414 eine ausreichende Power den Einfluss des Geburtsmodus auf Beckenbodenfunktionsstörungen zu verdeutlichen. Allerdings ist die Prävalenz der Erkrankungen noch häufiger im späteren Lebensalter, sodass die Nivellierung des Geburtsmodus durch das Lebensalter hier nicht erfasst wird.“

Auf die Fragen, inwiefern eine Auswertung von mehrfachen Vaginalgeburten (ohne Kaiserschnitt) als Vergleich sinnvoll gewesen wäre:
„MacArthur et al. konstatierten schon, dass ist eine Sectio caesarea nur dann protektiv hinsichtlich Beckenbodenfunktionsstörungen ist, wenn es keine zusätzlichen vaginalen Entbindungen gibt [7]. Mit der Anzahl der vaginalen Entbindungen steigt das Risiko für Beckenbodenfunktionsstörungen [4][13][30]. Laut Swift et al. ist hingegen nur die Parität (Anzahl der Schwangerschaften; Anm. d. Red.), nicht aber die Zahl der vaginalen Entbindungen ein Risikofaktor für Beckenbodenfunktionsstörungen [16].“

Auf die Frage, in welchem Verhältnis mögliche Komplikationen des Beckenbodens nach Vaginalgeburt im Verhältnis zu anderen Geburtskomplikationen für die Mutter stehen:
„Einer Sectio caesarea können andere mütterliche Komplikationen folgen, die Gesundheitskosten verursachen, welche die der Beckenbodenfunktionsstörungen möglicherweise übersteigen [17]. Eine Sectio caesarea geht mit einer erhöhten mütterlichen und kindlichen Morbidität einher. Zu den akuten mütterlichen Risiken einer Sectio caesarea gehören schwere Blutungen, die Notwendigkeit einer Hysterektomie oder Bluttransfusion, Thrombosen und Embolien, Infektionen, Wundheilungsstörungen, die Verletzung von Nachbarorganen, akutes Nierenversagen, Herzstillstand, sowie Komplikationen des angewandten anästhetischen Verfahrens [18]. Das Risiko für eine schwere Komplikation war in großen Querschnittsstudien zwei- bis fünfmal höher als bei einer vaginalen Entbindung. Selbst in Ländern mit hohen medizinischen Standards zeigte sich in manchen Studien eine erhöhte mütterliche Mortalität bei einer Sectio caesarea. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass eine vaginale Entbindung zu einer höheren mütterlichen Zufriedenheit mit der Erfahrung der Entbindung führte. Langfristig können zudem durch den operativen Eingriff Adhäsionen entstehen, wodurch im Verlauf das Risiko für einen Ileus (Verschluss des Darms; Anm. d. Red.) steigt. Frauen haben nach einer Sectio caesarea weiterhin ein höheres Risiko für eine Dyspareunie (Schmerzen während der versuchten oder vollzogenen vaginalen Penetration; Anm. d. Red.) und eine Subfertilität, sowie in einer folgenden Schwangerschaft ein höheres Risiko für eine Placenta praevia, eine Plazentationsstörung, eine vorzeitige Plazentalösung, eine Uterusruptur und weitere Schwangerschaftskomplikationen [18][19].“

„Beckenbodenfunktionsstörungen existieren häufig und können die Lebensqualität ungünstig beeinflussen [20][21][22]. Die Prävalenz liegt beispielsweise in den USA bei 23,7 Prozent der Frauen [20]. Die Ursachen sind vielfältig, werden aber vor allem bei prämenopausalen Frauen mit Schwangerschaft und Geburt assoziiert [23][24][16]. Die geburtshilflichen Risikofaktoren für eine Beckenbodenschädigung sind zahlreich und durch die häufige Koexistenz mehrerer Risikofaktoren schwer voneinander abzugrenzen.“

„Auch nach einer Sectio caesarea steigt das Risiko für eine Harninkontinenz im Vergleich zu einer Frau, die noch kein Kind geboren hat, an, wenn auch nicht so stark wie nach vaginaler Entbindung [15]. Die Prävalenz der Harninkontinenz ist in der Literatur etwa sechs Monate nach Sectio caesarea immerhin mit 6 bis 17 Prozent beschrieben [1][2] und mehrere Jahre später mit 28 bis 39 Prozent [12][25][26]. Bis zu 40 Prozent der Patienten entwickeln nach Entbindung per Sectio caesarea eine anale Inkontinenz [26][27] und 7 bis 16 Prozent der Patienten eine fäkale Inkontinenz. Für einen Genitaldescensus lag der Anteil bei ein bis sechs Prozent [7][9][12][25][26][28]. Das heißt auch mit einer Sectio besteht für die Frau keine absolute Sicherheit von einer Beckenbodenfunktionsstörung verschont zu bleiben.“

„Ich würde einer Frau nicht per se zu einem Kaiserschnitt raten, weil sie mit der Sectio, also einer Operation, die auch mannigfaltige Komplikationsmöglichkeiten hat, eine zukünftige Operation gegebenenfalls vermeiden möchte, aber dies auch nicht sicher kann.“

Auf die Fragen, in welchem Verhältnis bei der Abwägung der Entbindungsmethode die gesundheitlichen Auswirkungen eines Kaiserschnitts auf das Kind zu möglichen Folgekomplikationen durch die Geburtsmethode stehen:
„Die Risiken einer Sectio caesarea für das Kind reichen von einer veränderten Entwicklung des Immunsystems mit einer Neigung zu Allergien, Atopie und Asthma bis hin zu einem veränderten intestinalen Mikrobiom und metabolischem Syndrom [18][19]. Bis zu einem Alter von 28 Jahren zeigte sich eine höhere Prävalenz von Adipositas im Vergleich zu vaginal entbundenen Kindern. Die Ursachen werden dabei vor allem in der geringeren Exposition gegenüber dem mütterlichen Mikrobiom sowie der verringerten Stresshormonausschüttung vermutet [19].“

Prof. Dr.  Michael Abou-Dakn

Chefarzt in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, St. Joseph Krankenhaus Berlin Tempelhof

„Die Fragestellung des Beckenbodenschadens als Folge von Schwangerschaft und Geburt beschäftigt uns schon sehr lange. Der bisherige Wissensstand ist, dass natürlich eine gewisse Beckenbodenbelastung durch die Schwangerschaft besteht. Selbstverständlich können auch gewisse geburtsmechanische Einflüsse zu einem Beckenbodenschaden und deren Folgen führen.“

„Nach allen bisherigen Analysen gehen wir davon aus, dass ein hoher BMI, die familiäre Belastung oder bereits anamnestisch bekannte Inkontinenz ein Risikofaktor für die Entstehung einer späteren (Beckenboden-) Belastung darstellt. Dies kann auch individuell durch Erfassung der Risiken über Kalkulation berechnet werden (UR-CHOICE Pelvic Floor Disorders Risk Calculator).“

„In dieser großen schottischen Studie fällt zunächst auf, dass gegenüber der bisherigen Literatur relativ wenige Beckenbodenschäden insgesamt nach Geburt auftreten. Die einzigen Risikofaktoren, die in dieser Arbeit stratifiziert werden, sind der Versuch der vaginalen Geburt versus der elektiven zweiten Sectio. Weitere Faktoren – wie oben genannt – werden nicht erfasst.“

„Des Weiteren findet sich keine Analyse hinsichtlich der primären Sectio, ihrer Ursache und insbesondere werden keine Daten dargestellt, ob bereits Descensus- oder Inkontinenzbeschwerden vor der zweiten Geburt stattfanden.“

„Ein weiteres Ungleichgewicht besteht, da in der Gruppe der VBAC (vaginal birth after previous cesearian) auch Frauen integriert sind, die bereits eine vaginale Geburt hatten. Insgesamt bleibt die Datenlage etwas unklar, da mir zumindest nicht möglich war zu erkennen, wie viele Frauen aus der geplanten vaginalen Geburt nach Kaiserschnitt (international spricht man hier im Übrigen von TOLAC – Try of labor after ceasarien) tatsächlich vaginal entbunden haben. Oder wann, also zu welchen Geburtszeitpunkt, die dann sekundäre Resectio durchgeführt wurde.“

„In der Abbildung 3 sind diese Stratifizierungen dargestellt. Nur in der Tabelle D zeigt sich dann eine signifikante Erhöhung der Descensuswahrscheinlichkeit. Auch hier gilt wieder die Frage der zusätzlichen Faktoren.“

„Abschließend denke ich, dass Frauen auf das geringe Risiko eines Beckenbodenschadens, der operativ Jahre später korrigiert werden muss, hingewiesen werden sollten. Zur individuellen Risikokalkulation hinsichtlich eines erneuten Kaiserschnitts – mit den entsprechend höheren Risiken, sollte weiter nach den bisherigen Empfehlungen erfolgen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Kaven Baeßler: „Ich habe keine Interessenkonflikte.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Primärquelle

Fitzpatrick KE et al. (2022): Planned mode of birth after previous cesarean section and risk of undergoing pelvic floor surgery: A Scottish population-based record linkage cohort study. Plos Medicine. DOI: 10.1371/journal.pmed.1004119.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Boyles SH et al. (2009): Effect of mode of delivery on the incidence of urinary incontinence in primiparous women. Obstetrics and Gynecology 113(1):134–141. DOI: 10.1097/AOG.0b013e318191bb37.

[2] Farrell SA et al. (2001): Parturition and urinary incontinence in primiparas. Obstetrics and Gynecology. DOI: 10.1016/s0029-7844(00)01164-9.

[3] Huser M et al. (2017): Pelvic floor dysfunction after vaginal and cesarean delivery among singleton primiparas. International Journal of Gynecology and Obstetrics. DOI: 10.1002/ijgo.12116.

[4] Lukacz ES et al. (2006): Parity, mode of delivery, and pelvic floor disorders. Obstetrics and Gynecology. DOI: 10.1097/01.AOG.0000218096.54169.34.

[5] Gyhagen M et al. (2014): Faecal incontinence 20 years after one birth: a comparison between vaginal delivery and caesarean section. International Urogynecology Journal. DOI: 10.1007/s00192-014-2390-1.

[6] Handa VL et al. (2011): Pelvic floor disorders 5-10 years after vaginal or cesarean childbirth. Obstetrics and Gynecology. DOI: 10.1097/AOG.0b013e3182267f2f.

[7] MacArthur C et al. (2011): Exclusive caesarean section delivery and subsequent urinary and faecal incontinence: a 12-year longitudinal study. BJOG. DOI: 10.1111/j.1471-0528.2011.02964.x.

[8] Gyhagen M et al. (2013): Prevalence and risk factors for pelvic organ prolapse 20 years after childbirth: a national cohort study in singleton primiparae after vaginal or caesarean delivery. BJOG. DOI: 10.1111/1471-0528.12020.

[9] Blomquist JL et al. (2018): Association of Delivery Mode With Pelvic Floor Disorders After Childbirth. JAMA. DOI: 10.1001/jama.2018.18315.

[10] Vergeldt TFM et al. (2015): Risk factors for pelvic organ prolapse and its recurrence: a systematic review. International Urogynecology Journal. DOI: 10.1007/s00192-015-2695-8.

[11] Durnea CM et al. (2017): What is to blame for postnatal pelvic floor dysfunction in primiparous women-Pre-pregnancy or intrapartum risk factors? European Journal of Obstetrics and Gynecology and Reproductive Biology. DOI: 10.1016/j.ejogrb.2017.04.036.

[12] Volløyhaug I et al. (2015): Pelvic organ prolapse and incontinence 15-23 years after first delivery: a cross-sectional study. BJOG. DOI: 10.1111/1471-0528.13322.

[13] Leijonhufvud A et al. (2011): Risks of stress urinary incontinence and pelvic organ prolapse surgery in relation to mode of childbirth. American Journal of Obstetrics and Gynecology. DOI: 10.1016/j.ajog.2010.08.034.

[14] Wallwiener S et al. (2017): Sexual activity and sexual dysfunction of women in the perinatal period: a longitudinal study. Archives of Gynecology and Obstetrics. DOI: 10.1007/s00404-017-4305-0.

[15] Rortveit G et al. (2003): Urinary incontinence after vaginal delivery or cesarean section. New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa021788.

[16] Swift S et al. (2005): Pelvic Organ Support Study (POSST): the distribution, clinical definition, and epidemiologic condition of pelvic organ support defects. American Journal of Obstetrics and Gynecology. DOI: 10.1016/j.ajog.2004.10.602.

[17] Dietz HP (2007): Levator trauma in labor: a challenge for obstetricians, surgeons and sonologists. Ultrasound in Obstetrics and Gynecology. DOI: 10.1002/uog.3961.

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[19] Keag OE et al. (2018): Long-term risks and benefits associated with cesarean delivery for mother, baby, and subsequent pregnancies: Systematic review and meta-analysis. Plos Medicine. DOI: 10.1371/journal.pmed.1002494.

[20] Nygaard I et al. (2008): Prevalence of symptomatic pelvic floor disorders in US women. JAMA. DOI: 10.1001/jama.300.11.1311.

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[22] Melville JL et al. (2005): Fecal incontinence in US women: a population-based study. American Journal of Obstetrics and Gynecology. DOI: 10.1016/j.ajog.2005.07.018.

[23] Thom DH et al. (2011): Parturition events and risk of urinary incontinence in later life. Neurourology and Urodynamics. DOI: 10.1002/nau.21166.

[24] Nygaard I (2006): Urinary incontinence: is cesarean delivery protective? Seminars in Perinatology. DOI: 10.1053/j.semperi.2006.07.007.

[25] MacArthur C et al. (2001): Obstetric practice and faecal incontinence three months after delivery. BJOG. DOI: 10.1111/j.1471-0528.2001.00183.x

[26] Gyhagen M et al. (2013): The prevalence of urinary incontinence 20 years after childbirth: a national cohort study in singleton primiparae after vaginal or caesarean delivery. BJOG. DOI: 10.1111/j.1471-0528.2012.03301.x.

[27] Guise J-M et al. (2009): Does cesarean protect against fecal incontinence in primiparous women? International Urogynecology Journal. DOI: 10.1007/s00192-008-0729-.

[28] Brown SJ et al. (2012): Fecal incontinence during the first 12 months postpartum: complex causal pathways and implications for clinical practice. Obstetrics and Gynecology. DOI: 10.1097/AOG.0b013e318242b1f7.

[29] Wilson D (2014): UR-CHOICE: can we provide mothers-to-be with information about the risk of future pelvic floor dysfunction? International Urogynecology Journal. DOI: 10.1007/s00192-014-2376-z.

[30] Yeniel AÖ et al. (2013): How do delivery mode and parity affect pelvic organ prolapse? Acta Obstetricia et Gynecologica Scandinavica. DOI: 10.1111/aogs.12129.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Hillemanns P et al. (2000): Risiken bei Sectio caesarea und vaginaler Geburt. Der Gynäkologe. DOI: 10.1007/s001290050656.

[II] Keag OE et al. (2018): Long-term risks and benefits associated with cesarean delivery for mother, baby, and subsequent pregnancies: Systematic review and meta-analysis. Plos Medicine. DOI: 10.1371/journal.pmed.1002494.