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08.12.2020

Kommunikation vor der Impfentscheidung zu COVID-19-Impfungen

Wie gelingt eine erfolgreiche Kommunikation über Impfungen gegen COVID-19? In nahezu jeder Woche macht derzeit eine Umfrage über die mutmaßliche Impfbereitschaft gegen COVID-19 die Runde. Häufig lautet dabei die Schlagzeile: Die Impfbereitschaft sinkt. Je nach Methodik der Umfragen würden sich hierzulande derzeit zwischen 50 und 70 Prozent der Menschen impfen lassen. Dem COVID-19 Snapshot Monitoring (COSMO) zufolge [I] sank die Impfbereitschaft seit April stetig von 70 Prozent auf 50 Prozent Anfang Dezember. Vertrauen in die Sicherheit der Impfung stellte sich dabei als wichtigster Faktor heraus, der die Impfbereitschaft positiv beeinflusst. Eine Empfehlung von COSMO ist daher, transparent über Impfstoffe aufzuklären und Antworten auf die vielen Fragen in der Bevölkerung liefern zu können. Wichtig ist allerdings auch, dass sich die Impfbereitschaft verändern kann, wenn die Impfentscheidung näher rückt.

Im Minutentakt werden derzeit neue und teilweise widersprüchliche Botschaften rund um das Thema Impfen veröffentlicht, was die Verunsicherung steigern kann. Das Vereinigte Königreich begann offenbar am 08.12.2020 mit einer Impfkampagne, nachdem der RNA-Impfstoff von Biontech und Pfizer dort eine nationale Notfallzulassung erhalten hatte. Erst kürzlich hatte der Hersteller die Menge der angekündigten Impfdosen desselben Impfstoffs aufgrund von Problemen in der Lieferkette nach unten korrigieren müssen. Gesundheitsminister Spahn sprach zuletzt von elf Millionen verfügbaren Dosen bis Ende März 2021, mit denen 5,5 Millionen Menschen geimpft werden könnten. Nach der aktuellen Impfstrategie sollen bevorzugt Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen und Personen über 80 Jahre geimpft werden; die Stellungnahme der Ständigen Impfkommission ist derzeit in Abstimmung und soll laut Medienberichten am 10.12.2020 öffentlich werden. In Deutschland leben jedoch allein 5,7 Millionen Menschen im Alter von über 80 Jahren. Auf diese Bevölkerungsgruppe entfallen deutlich mehr als die Hälfte der gemeldeten COVID-19-Todesfälle. Selbst das Etappenziel, besondere Risikogruppen mit einer Impfung ausreichend schützen und für eine Entspannung der Lage auf den Intensivstationen sorgen zu können, scheint damit erst im späten Frühjahr erreichbar. Wichtig ist daher auch, wem welche Erwartungen in Bezug auf eine Impfung vermittelt werden und welche Motive bei der Impfentscheidung zum Tragen kommen.

Eine erfolgreiche Impfkommunikation ist der Schlüssel, um das Vertrauen der Bevölkerung in Impfstoffe zu erhalten und damit auch, um die COVID-19-Pandemie zu bekämpfen. Wir haben Fachleute befragt, was dazu notwendig ist und welche Dilemmata und Motive bei der Impfentscheidung zum Tragen kommen.

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Alexander Krämer, Seniorprofessor an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld
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  • Julia Neufeind, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Impfprävention, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
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  • Prof. Dr. Senja Post, Professorin im Arbeitsbereich Wissenschaftskommunikation in den Lebenswissenschaften, Georg-August-Universität Göttingen
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  • Prof. Dr. Florian Zimmermann, Professor für Ökonomie an der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Institute on Behavior and Inequality – briq, Bonn
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  • Dr. Ralf Krumkamp, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteiltung Infektionsepidemiologie, Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), Hamburg
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  • Prof. Dr. Eva Maria Bitzer, Studiengangsleitung Gesundheitspädagogik, Pädagogische Hochschule Freiburg
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  • Prof. Dr. Gérard Krause, Leiter der Abteilung Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig
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Statements

Prof. Dr. Alexander Krämer

Seniorprofessor an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld

„Für eine erfolgreiche Impfkommunikation sollte betont werden, dass die Impfstoffe alle klinischen Prüfungen durchlaufen haben mit Tausenden von Probanden und dass die Zulassungsbehörden auch bei der pharmazeutischen Qualität keine Abstriche machen (gesetzliche Vorgaben zur Guten Herstellungspraxis müssen eingehalten werden). Die einzelnen Studien wurden sehr zügig durchgeführt und die Behörden standen jederzeit zur Verfügung, um Fragen zu beantworten und bürokratische Abläufe zu beschleunigen. Was fehlt sind Langzeitbeobachtungen – derzeit kann die Zulassung nach einer medianen Beobachtungszeit von zwei Monaten nach der letzten Impfdosis erfolgen. Die großen Wirksamkeitsstudien sollten also weitergeführt werden, dabei muss allerdings beachtet werden, dass die Probanden, die Placebo bekommen haben, jetzt den Impfstoff bekommen können. Obwohl es überzeugende Daten darüber gibt, dass ein großer Teil der Geimpften geschützt wird, könnte die Effektivität bei bestimmten Gruppen variieren. Zum Beispiel könnte die Effektivität bei Personen mit geschwächtem Immunsystem theoretisch geringer ausfallen. Über solche Details wird man erst später genauen Aufschluss erhalten können.“

„Zunächst einmal wird es darum gehen, Menschen zu impfen und zu schützen, die einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind – da geht es um den Schutz des Individuums. Sobald mindestens 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung geimpft worden ist, geht man davon aus, dass die Transmission des Virus in der Gesellschaft unterbrochen werden kann und die sogenannte Herdenimmunität einsetzt. Dazu müssten sich aber auch genügend Menschen bereit erklären, geimpft zu werden, um den Kollektivnutzen zu erreichen. In diesem Zusammenhang von Interesse sind dazu auch die Untersuchungen des Teams um Heidi Larson an der London School zur Impfakzeptanz [1]. “

„Der größte Anreiz für eine Impfung sollte der mögliche Schutz gegen eine COVID-19 Erkrankung sein.“

Auf die Frage, wie sich ein Geimpfter verhalten soll:
„Bei dieser Frage ist es wichtig, noch einmal Begriffe klar zu definieren. Die Phase-III-Wirksamkeitsstudien haben die Wirksamkeit gegen symptomatische Infektionen, also gegen Erkrankungen, gemessen [2]. Man weiß heute noch nicht, ob eine asymptomatische Infektion verhindert werden kann und daher auch nicht, ob Geimpfte nur gegen Erkrankungen oder auch Infektionen geschützt sind. Wir wissen auch noch nicht, ob Geimpfte das Virus weiter übertragen können oder nicht. Das wird noch in speziellen Studien untersucht werden müssen. Außerdem ist die Wirksamkeit hoch, aber nicht 100 Prozent. Daher wäre bis auf Weiteres zu empfehlen, dass auch Geimpfte sich und andere durch Einhalten der AHA-Regeln schützen.“

Julia Neufeind

Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Impfprävention, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin

„Zunächst einmal muss klar kommuniziert werden, was wir wissen und was nicht. Es gab in diesem Jahr einen enormen Wissenszugewinn, jedoch sind manche Dinge, die Impfungen betreffen, noch unklar. Man sollte klar machen, dass COVID-19 eine lebensbedrohliche Krankheit sein kann und der Grund, warum wir impfen, ist, dass wir Menschen schützen wollen – allem voran jene, die ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf oder den Tod haben. Wenn wir in gut gemachten Studien sehen, dass Impfungen sicher und wirksam sind, muss das die Kernbotschaft der Kommunikation sein. Niedergelassene ÄrztInnen spielen eine sehr wichtige Rolle in der Kommunikation, aber natürlich ist auch das private Umfeld für die Meinungsbildung relevant. Genau wie die Medien, die in diesem Jahr oftmals fantastische Wissenschaftskommunikation gemacht haben und dies nun hoffentlich auch in Bezug auf eine COVID-19-Impfung tun werden. Die Kommunikation rund um die COVID-19-Impfstoffe wird ein fortwährender Prozess sein. Man muss in der Kommunikation etwa auf neue Daten über den Impfschutz, die Zulassung neuer Impfstoffe und andere Dinge zeitnah und transparent eingehen.“

„Impfungen sind anders als viele andere medizinische Interventionen Präventionsmaßnahmen. Sie schützen den gesunden Menschen vor einem Risiko, sie heilen nicht den bereits erkrankten Menschen. Daher werden an Impfstoffe auch besonders hohe Anforderungen bezüglich der Sicherheit gestellt. Ein zugelassener Impfstoff wird sehr sicher sein. Es ist wichtig, dass geringe Restunsicherheiten, die nach einer Zulassung wie bei jedem anderen Medikament bleiben, auch als solche dargestellt werden und nicht als katastrophale Risiken aufgebläht werden. Im Moment muss man Vertrauen in die Behörden haben, dass sie die Daten der Hersteller sorgfältig prüfen. Man muss ihrer Arbeit, ihrer Expertise und ihrer Unabhängigkeit Vertrauen schenken. Das heißt nicht, dass kritische Nachfragen nicht wichtig und sogar erwünscht sind. Aber ohne Vertrauen ineinander können wir diese Public-Health-Krise nicht bewältigen.“

„Es ist eine große Erfolgsgeschichte, wenn es gelingt, nun bald einen sicheren und wirksamen Impfstoff gegen COVID-19 vielen Menschen zur Verfügung zu stellen. Die Impfung ist ein Angebot. Sie kann Menschen vor einer potenziell schweren Erkrankung und vor Tod bewahren und die vulnerabelsten Gruppen unserer Gesellschaft schützen. Eine Impfung könnte Sorgen nehmen, Erleichterung und Freiheit bringen. Eine Impfung ist ein Baustein, um zu einer weitgehenden Normalität zurückzukehren. Das alles sind große Anreize, sich impfen zu lassen. All das wird allerdings ein wenig dauern, weil viele Menschen geimpft werden müssen. Wir müssen noch eine Weile Geduld haben.“

„Erst einmal scheinen die COVID-19-Impfstoffe, die gerade kurz vor der Zulassung stehen, einen sehr guten individuellen Schutz vor einer Erkrankung zu bieten. Das ist eine sehr positive Nachricht. Nach Angaben der Hersteller sind diese Impfstoffe hoch wirksam. Es ist allerdings noch unklar, in welchem Maße Geimpfte nach Kontakt mit SARS-CoV-2 das Virus noch an andere Personen weitergeben können. Es ist denkbar, dass eine geimpfte Person zwar nicht mehr an COVID-19 erkrankt, den Erreger aber für kurze Zeit in sich trägt und so andere anstecken kann. Um die Frage zu beantworten, in welchem Maße eine Impfung auch die Übertragung des Virus verhindert, fehlen zurzeit noch wissenschaftliche Erkenntnisse. Das Einhalten von Hygieneregeln wird deshalb erst einmal eine wichtige Vorsichtsmaßnahme bleiben, um Ansteckungen zu verhindern.“

Prof. Dr. Senja Post

Professorin im Arbeitsbereich Wissenschaftskommunikation in den Lebenswissenschaften, Georg-August-Universität Göttingen

„Viele Menschen nutzen Nachrichten in der Corona-Krise intensiv und emotional. In dieser Gemengelage kann es zu heftigen Reaktionen auf Informationen über die Impfung kommen. So könnte es viele ängstigen, wenn nach einer Impfung rein zufällig ein spektakuläres Ereignis wie eine schwere Krankheit eintritt. Oder es könnte Misstrauen erzeugen, wenn der Impfschutz nicht so lange andauert wie erhofft. Damit die Menschen bei solchen Ereignissen nicht falschen Erklärungen aufsitzen, sollten Medien und öffentliche Akteure im Vorhinein nicht nur über die Chancen der Impfung berichten. Sie sollten auch vorsorglich Hintergrundinformationen vermitteln, die zu einer sachlich angemessenen Interpretation solcher Ereignisse notwendig sind. Dazu gehören zum Beispiel statistische Basisinformationen wie die Anzahl der Geimpften, wissenschaftliche Unsicherheiten beispielsweise über die Dauer des Impfschutzes sowie Erläuterungen wissenschaftlicher Methoden zum Beispiel zur Erfassung und Aufzeichnung von Nebenwirkungen.“

„Ein Dilemma könnte darin bestehen, dass die relativ komplexen Hintergründe dem Bedürfnis vieler Menschen nach eindeutiger Information in der Krise entgegenstehen. Deshalb sollte die Berichterstattung über die Impfung vor allem von Wissenschaftsjournalisten verantwortet werden, weil sie darin geübt sind, komplexe wissenschaftliche Sachverhalte für ein Massenpublikum verständlich aufzubereiten.“

Prof. Dr. Florian Zimmermann

Professor für Ökonomie an der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Institute on Behavior and Inequality – briq, Bonn

Auf die Frage, welche Dilemmata und Motive bei einer Impfentscheidung zum Tragen kommen:
„Auf der individuellen Ebene stehen der Aussicht auf Schutz vor Ansteckung große Ängste vor Nebenwirkungen gegenüber. Das Thema Gesundheit ist häufig von großer Unsicherheit geprägt, welche dann Ängsten viel Raum lässt. Solche Ängste sind im Fall der COVID-19-Impfstoffe potenziell besonders ausgeprägt, zum einen auf Grund der kurzen Dauer der Entwicklung und Prüfung, zum anderen auf Grund der Vielzahl von Falschmeldungen und von Impfgegnern in Umlauf gebrachten Narrativen, die in privaten und sozialen Netzwerken kursieren. Auf der kollektiven Ebene gibt es ein Spannungsfeld, das dem anderer Kooperationsprobleme ähnelt: Auf der einen Seite kann ich durch eine Impfung nicht nur mich, sondern auch andere schützen. Auf der anderen Seite bin ich vermutlich weniger bereit mich zu impfen, falls ich beobachte, dass andere Teile der Gesellschaft dies nicht tun.“

„Zunächst einmal ist Transparenz für eine erfolgreiche Impfkommunikation sicher das oberste Gebot. Die Bevölkerung muss über die sehr umfangreichen Test- und Prüfverfahren informiert werden, um Ängste im Zusammenhang mit Impfungen zu reduzieren. Diese Informationen müssen in einfacher Form und für Laien verständlich präsentiert werden. Es ist sicher auch wichtig, den prosozialen Aspekt von Impfungen zu betonen – also zu betonen, dass ich nicht nur mich selbst schütze, sondern auch das Gemeinwohl unterstütze, indem ich Krankenhäuser nicht belaste und selbst weniger ansteckend bin (sofern sich herausstellt, dass die Impfstoffe diese Wirkung haben). Idealerweise gelingt es der Gesellschaft, eine soziale Norm des Impfens zu etablieren. Skeptisch kann man durchaus bei Teilen der Impfgegner und Corona-Leugner sein. Bei bestimmten Gruppen weckt das Thema Impfung sehr starke Emotionen. Manche Gruppen haben sich außerdem ganz offenbar von großen Teilen der Medien- und Forschungslandschaft abgekoppelt. In diesen Kreisen kursiert eine Vielzahl von Verschwörungs-Narrativen und Falschmeldungen. Diese Gruppen sind aus meiner Sicht kaum mehr durch Kommunikation zu erreichen.“

„Individuelle Anreize können grundsätzlich ein wichtiges Instrument sein, um zur Impfung zu motivieren. Allerdings ist dabei Vorsicht geboten. Wir wissen aus der Verhaltensforschung, dass eher kleine monetäre Anreize oft kontraproduktiv sind. Der Grund ist, dass bei zu kleinen Anreizen die Höhe der Anreize nicht ausreicht, um positiv zu wirken. Gleichzeitig, und das ist der entscheidende Faktor, verdrängen solche Anreize dann zum Teil andere Motive sich impfen zu lassen, beispielsweise das Motiv aus freien Stücken das Gemeinwohl zu fördern. Effektiver könnten soziale Anreize sein, also zum Beispiel die Aussicht auf soziale Anerkennung oder auf Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die etwas Gutes tut.“

Dr. Ralf Krumkamp

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteiltung Infektionsepidemiologie, Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI), Hamburg

„Um die weiteren Strategien im Umgang mit der Pandemie planen zu können, benötigen wir noch bessere Daten zu Fragen wie: Schützt die Impfung vor der Erkrankung COVID-19 oder senkt sie auch die Infektiosität; wie gut ist die Wirksamkeit in den verschiedenen Altersgruppen – besonders im Alter von über 80 Jahren; wie lange schützt die Impfung und welche Gruppen nehmen an den Impfungen teil? Wenn wir Risikogruppen in der Tat gut über die Impfung geschützt haben, könnten Maßnahmen auch für die allgemeine Bevölkerung gelockert werden. Wenn wir Risikogruppen nicht ausreichend schützen können, dann muss dieses allerdings bei weiteren Kontrollstrategien berücksichtigt werden. Risikogruppen sind ein integrierter Teil unserer Bevölkerung und somit werden Infektionsketten in der allgemeinen Bevölkerung auch Risikogruppen erreichen.“

„Wenn die Impfung ‚nur‘ vor einer schweren Infektion schützt, könnten Geimpfte die Infektion weiterhin übertragen und das muss durch weitere Maßnahmen berücksichtigt werden. Wenn es einen klar nachweisbaren Schutz gibt und Geimpftee eine Infektion nicht weitergeben können, könnte sie die theoretisch von einigen Maßnahmen befreit werden. An dieser Stelle sind aber ethische und logistische Gesichtspunkte wichtiger, zum Beispiel: Wie kann man schnell und sicher kontrollieren, wer geimpft wurde; kann man Personen, die noch keine Möglichkeit hatten, sich zu impfen, benachteiligen oder wie kann ich kontrollieren, ob ein Impfschutz noch fortbesteht?“

„Ich denke innerhalb Deutschlands kann es schwierig sein, Sonderbehandlungen durchzusetzen, die an den Impfstatus gekoppelt sind. Das sieht anders aus, wenn man zum Beispiel in andere Länder einreisen möchte. Es ist gut möglich, dass dieses nur mit bestehendem Impfschutz möglich ist, was motivieren könnte.“

Prof. Dr. Eva Maria Bitzer

Studiengangsleitung Gesundheitspädagogik, Pädagogische Hochschule Freiburg

„Erfolgreiche Impfkommunikation ist non-direktiv, will informieren und nicht überreden. Sie vermeidet falsche Sicherheit, vereinfachende Narrative und polarisierende Darstellungen. Erfolgreiche Impfkommunikation berücksichtigt, welche Information in welchem Format welche Zielgruppe am besten in ihrer Entscheidung unterstützt und basiert auf der besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnis.“

„Erfolgreich ist Impfkommunikation, wenn sie einzelnen Menschen eine informierte Entscheidung für oder gegen die Impfung ermöglicht. Informiert ist eine Entscheidung, wenn sie auf relevantem Wissen beruht, konsistent mit den eigenen Werten ist und sich in entsprechendem Verhalten ausdrückt.“

„Allen Bürgerinnen und Bürger sollten hochwertige Informationen rund um die Impfung gegen SARS-CoV-2 frei zugänglich und in verständlicher Form zur Verfügung stehen. Die Kommunikation sollte gezielt Menschen adressieren, die unsicher sind und Information suchen. Zur Förderung der informierten Entscheidung sollten Aufklärung und Impfberatung zudem zeitlich und gegebenenfalls auch räumlich vom Vorgang des Impfens getrennt sein.“

Auf die Frage, welche Unsicherheiten wie adressiert werden müssten:
„Glaubwürdige Impfkommunikation adressiert die wissenschaftlichen Belege zur Wirksamkeit und zu unerwünschten Wirkungen der Impfstoffe. Sie beinhaltet Angaben zur numerischen Unsicherheit von Ergebnissen. Sie benennt klar offene Fragen und erläutert, was getan wird, um diese Fragen zu beantworten und schafft damit Vertrauen.“

„Wie gesagt: Eine glaubwürdige Impfkommunikation unterstützt den individuellen Abwägungsprozess, beispielsweise durch eine faire Darstellung von Vor- und Nachteilen der Impfung, eine angemessene Beschreibung der Qualität der zugrunde liegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und eine offene Kommunikation von Unsicherheit.“

„Auch wenn eine wirksame Impfung der Schlüssel zur Pandemiekontrolle ist, wissen wir noch zu wenig, unter anderem über die Dauer des Impfschutzes, zu den Effekten der Impfung auf die Häufigkeit schwerer Erkrankungen und die Sterblichkeit von COVID-19. Wichtig ist die Beantwortung der noch offenen Fragen mit wissenschaftlichen Methoden und die Implementation gut durchdachter Konzepte der Impf-Surveillance parallel zur Einführung der Impfung in Deutschland.“

Prof. Dr. Gérard Krause

Leiter der Abteilung Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig

„Die aktuelle STIKO-Empfehlung greift die verfügbare Evidenz sehr konsequent und besonnen auf. Es ist zu wünschen, dass diese nun auch konsequent umgesetzt wird. Die aus der Empfehlung folgende Strategie hat zum Ziel, die Krankheitslast zu senken, also die schweren und tödlichen Erkrankungen zu vermeiden. Genau das muss das Ziel unserer Gesellschaft sein.“

„Andere nicht-pharmazeutische Maßnahmen können dann reduziert werden, wenn erkennbar wird, dass unter Berücksichtigung saisonaler und anderer Faktoren die Zahl der schweren und tödlichen COVID-Erkrankungen deutlich und nachhaltig sinkt. Inwieweit die Impfung dazu beitragen kann, hängt vor allem von zwei Faktoren ab. Erstens: Wie gut gelingt es, rasch einen großen Teil der Zielgruppe zu impfen? Und zweitens: Wie wirksam ist die Impfung in der Zielgruppe unter Realbedingungen? Eine Impfstrategie kann durchaus erfolgreich sein, ohne eine sogenannte Herdenimmunität zu erzielen.“

„Sowohl gegen COVID-19-Geimpfte als auch Menschen, die nach einer SARS-CoV-2 Infektion genesen sind, haben ein sehr viel geringeres Risiko, gegebenenfalls erneut an COVID-19 zu erkranken. Aber es besteht noch keine ausreichende Erkenntnis darüber, inwieweit diese Menschen auch davor geschützt sind, das Virus an andere Menschen zu übertragen. Aus diesem Grund sollten sich bis auf weiteres auch die gegen COVID-19 geimpften Menschen weiter an die allgemeinen Verhaltensregeln zur Pandemiebekämpfung halten, vor allem, um in der Öffentlichkeit und am Arbeitsplatz ihre Mitmenschen zu schützen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Julia Neufeind: „Keine.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Figueiredo A d et al. (2020): Mapping global trends in vaccine confidence and investigating barriers to vaccine uptake: a large-scale retrospective temporal modelling study. The Lancet; 396 (10255): 898-908.

[2] CEPI – COVID-19 Clinical Working Group (19.11.2020): A Comparison of Vaccine Efficacy Elements in Advanced Stage Clinical Trial Protocols.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

COSMO – COVID-19 Snapshot Monitoring: Impfungen.

Weitere Recherchequellen

World Health Organization (2017): Vaccination and trust. How concerns arise and the role of communication in mitigating crises.

Sprengholz P et al. (2020): Herd immunity communication counters detrimental effects of selective vaccination mandates: Experimental evidence. EClinicalMedicine; 22: 100352. DOI: 10.1016/j.eclinm.2020.100352.