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04.03.2021

Impfstoffe verhindern SARS-CoV-2-Infektionen – Unsicherheiten und Implikationen

Die weitflächig eingesetzten Impfstoffe gegen COVID-19 scheinen auch zum Großteil die initiale Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 zu unterbinden. Diese guten Nachrichten schwappen derzeitig wellenartig aus Israel und dem Vereinigten Königreich nach Deutschland. In der vergangenen Woche sind gleich mehrere Daten zur Effektivität vornehmlich vom BioNTech/Pfizer-Impfstoff BNT162b2, aber und auch vom AstraZeneca-Impfstoff AZD1222 öffentlich geworden. In der Zusammenschau zeigen sie: Die Impfstoffe verhindern neben schweren Verläufen und Todesfällen auch effektiv Infektionen mit SARS-CoV-2. Somit untermauern die Daten das, was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schon vermutet haben: Geimpfte stecken sich seltener mit dem Virus an und geben es auch folglich seltener weiter.

Die bisher öffentlich gewordenen Studien unterscheiden sich allerdings hinsichtlich ihrer Aussagekraft und Vorläufigkeit voneinander – die ersten Ergebnisse lagen vertraulich nur einigen Medien vor, mehrere noch nicht wissenschaftlich begutachtete Preprints sind mittlerweile erschienen [I] [II], aber auch einige Daten großer Analysen in Fachjournalen wie „The New England Journal of Medicine“ [III] oder „The Lancet“ [IV]. Viele der Analysen beruhen auf den Daten der nationalen Impfkampagnen und sind damit mit Spannung erwartete Beobachtungsdaten aus dem realen Leben. Sie schließen daher einerseits viel mehr Menschen ein als beispielsweise die minutiös geplanten klinischen Studien, allerdings unterliegen sie damit auch größeren Verzerrungsmöglichkeiten.

Die bisher veröffentlichten Daten geben also Hoffnung, dass Impfstoffe kurzfristig auch dazu beitragen, die Pandemie stark einzudämmen, zusätzlich zum Effekt der entlasteten Gesundheitssysteme. Wie lange jedoch dieser Schutz – gerade der vor Infektionen mit SARS-CoV-2 – anhält, ist noch Gegenstand der Forschung. Das ist gerade deshalb relevant, weil sich die Immunantwort des menschlichen Körpers auf eine Impfung, von der auf eine natürliche Infektion unterscheidet. SARS-CoV-2 dringt vornehmlich über die Atemwege und ihre Schleimhäute in den Körper ein. Besonders dort reagiert der Körper initial auf das Virus und baut eine eigene Immunantwort der Atemwege – die mukosale Immunität – auf [V] [VI]. Impfungen über eine Injektion in den Muskel – wie sie derzeit angewendet werden – bauen vor allem einen Antikörperschutz im Blut des Geimpften aus. Wie diese Unterschiede zu Buche schlagen, ist noch nicht klar [VII].

Diese Unsicherheiten dazu, wie effizient die Impfstoffe tatsächlich weitere Übertragungen verhindern, fließen auch ein in die Debatte um Impfpässe als Freifahrtscheine für bestimmte Bereiche des Lebens, die derzeit noch eingeschränkt sind oder sind auch bei der Frage relevant, welche Impfpriorisierung verfolgt werden sollte. Wir haben daher Expertinnen und Experten befragt, auf welche Aspekte sie beim Thema zum Schutz vor Infektionen besonders schauen und haben Argumente aus Virologie, Infektiologie und Ethik zusammengetragen.

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Marylyn Addo, Leiterin der Sektion Infektiologie am Zentrum für Innere Medizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
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  • Prof. Dr. Carlos A. Guzman, Leiter der Abteilung Vakzinologie und Angewandte Mikrobiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig
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  • Prof. Dr. Gérard Krause, Leiter der Abteilung Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig
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  • Prof. Dr. Frank Dietrich, Inhaber des Lehrstuhls für Praktische Philosophie, Institut für Philosophie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
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  • Prof. Dr. Anke Huckriede, Professorin für Vakzinologie, Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universität Groningen
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  • Prof. Dr. Verina Wild, Inhaberin der Professur für Ethik der Medizin, Universität Augsburg
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Statements

Prof. Dr. Marylyn Addo

Leiterin der Sektion Infektiologie am Zentrum für Innere Medizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Dieses Statement stammt aus dem Press Briefing zur nächsten Generation der Impfstoffe gegen COVID-19 vom 23.02.2021.

„Wir haben ja lange auf diese Daten gewartet, die zeigen, ob auch ein Schutz vor asymptomatischer Infektion gegeben ist. Und das sind ja jetzt die ersten Zahlen, die das suggerieren. Die Daten stammen zum Großteil aus Preprints und diese müssen wir sicherlich nochmal sehr kritisch bewerten, auch wenn wir sie vollständig zur Verfügung stehen haben. Aber das, was zumindest jetzt transportiert wird, der ungefähr 90-prozentige Schutz vor Infektionen, das ist ja eigentlich wieder mehr, als wir erhofft hatten. Und wenn wir mit dem Impfstoff auch auf die Infektiosität, also auf den Schutz vor Infektionen, nicht nur auf den Schutz vor Erkrankung Einfluss nehmen können, dann ist das selbstverständlich ein ganz wichtiger Schritt auch für das Infektionsgeschehen.“

„Momentan impfen wir in Deutschland in sehr hohen Altersklassen oder in hoch-exponierten Gruppen, und versuchen Todesfälle, schwere Erkrankungsfälle, Intensivaufenthalte et cetera zu reduzieren, um das Gesundheitssystem zu schützen. Bisher war noch nicht klar gegeben, dass es tatsächlich auch einen Einfluss auf die Infektionsraten gibt. Wir haben uns aber natürlich erhofft, dass jetzt auch die Infektionen durch das Impfen zurückgehen.“

„Unsere bisherigen Impfstoffe gegen nicht respiratorischen Erreger erzeugen natürlich einen Schutz vor Infektionen, bei Masern zum Beispiel. Wenn wir jetzt auch vor SARS-CoV-2-Infektionen schützen können, dann können wir auch ganz anders das Infektionsgeschehen beeinflussen, es mit mehr Impfungen weiter nach unten treiben und uns hoffentlich dann noch schneller aus der Pandemie befreien. Es sind also wirklich ganz wichtige Daten.“

Prof. Dr. Carlos A. Guzman

Leiter der Abteilung Vakzinologie und Angewandte Mikrobiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig

„Diese Daten sind sehr ermutigend und deuten darauf hin, dass wir kurzfristig erwarten können, dass die derzeit verwendeten Impfstoffe einen unterschiedlichen Schutz gegen symptomatische und asymptomatische Infektionen bieten, was für die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie von entscheidender Bedeutung ist. Wir müssen jedoch äußerst vorsichtig sein, wenn wir ihre Fähigkeit, Virusinfektionen und -übertragungen zu reduzieren, auf mittel- und langfristige Sicht extrapolieren. Erstens wird bei diesen Impfstoffen kein mukosaler Verabreichungsweg (Verabreichung über die Schleimhäute; Anm. d. Red.) genutzt. Daher können wir nicht mit der Induktion eines robusten lokalen Immungedächtnis in den Atemwegen rechnen. Zweitens vermitteln im Blut zirkulierende neutralisierende Antikörper, die in die Atemwege einwandern, wahrscheinlich nur einen teilweisen Schutz gegen eine Infektion durch lokale Virusneutralisierung und reduzieren anschließend die Menge und Dauer der Virusausscheidung. Daher könnte man auch annehmen, dass wir – sobald die Antikörperspiegel im Blut abnehmen – eine impfstoff-, impfling- und zeitabhängige Verringerung des Schutzes gegen die Infektion beobachten werden. Dies würde wahrscheinlich zu einem gewissen Grad an viraler Ausscheidung nach einer Infektion führen, und zwar bei Geimpften, die noch wirksam gegen eine symptomatische COVID-19-Erkrankung geschützt sind.“

„Für verwendete Impfstoffe abseits von COVID-19 gibt es keinen Konsens über die minimale Schutzdauer und es ist sogar nicht möglich, Tests zur Beurteilung des Schutzniveaus durchzuführen, wenn nicht davon auszugehen ist, dass alle Geimpften geschützt sind, wie es bei Hepatitis-B-Impfstoffen der Fall ist. Folgende Punkte erschweren allerdings eine solide, wissenschaftlich fundierte Umsetzung eines Impfpasses bei SARS-CoV-2 und COVID-19 – also ein Dokument zu erstellen, das genau definiert, wie lange eine Person geschützt ist beziehungsweise kein Risiko für andere darstellt. Erstens: Es ist noch unklar, wie lange der Schutz vor einer Erkrankung nach der Impfung anhält und welche Impfstoffe in welchem Ausmaß und für wie lange einen Schutz vor einer Infektion und viraler Übertragung vermitteln. In diesem Zusammenhang trägt die oben beschriebene Passage zirkulierender Antikörper in die Atemwege wahrscheinlich zu einem teilweisen Schutz vor einer Infektion bei. Sobald jedoch die Antikörperspiegel im Blut abnehmen, ist eine zeitabhängige Abnahme des Schutzes vor einer Infektion zu erwarten. Außerdem fehlt uns ein bisher nicht diskutiertes Korrelat des Schutzes – also eine Art Anzeiger –, das je nach Impfstoffdesign unterschiedlich sein könnte.“

Prof. Dr. Gérard Krause

Leiter der Abteilung Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig

Auf die Fragen, inwiefern die Impfstrategie auf Basis der neuen Daten angepasst werden müsste:
„Die Ausführungen der STIKO sind diesbezüglich immer noch zutreffend und sollten nicht verfrüht hinterfragt werden. Eine Impfung und die diesbezügliche Strategie soll primär Erkrankungen und Tod verhindern.“

Prof. Dr. Frank Dietrich

Inhaber des Lehrstuhls für Praktische Philosophie, Institut für Philosophie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

„Wenn durch die Impfung die Gefahr der Übertragung des SARS-CoV-2-Virus erheblich reduziert wird, besteht die Möglichkeit, Personen mit vielen Kontakten, wie zum Beispiel Lehrer und Lehrerinnen, bevorzugt zu impfen. Das könnte ein wichtiger Baustein in der Strategie sein, die Zahl der Ansteckungen zu verringern und das Infektionsgeschehen effektiv einzudämmen. Das vordringliche Ziel bei der Festlegung der Impfreihenfolge sollte allerdings nicht darin bestehen, die Sieben-Tage-Inzidenz zu senken. Vielmehr muss es primär darum gehen, besonders gravierende Erkrankungen mit möglicher Todesfolge zu verhindern. Folglich ist es weiterhin richtig, besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen, insbesondere Personen in einem sehr hohen Lebensalter, Priorität beim Impfen einzuräumen. Für die Regelung des Zugangs zu Impfstoffen, die für besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen nicht zugelassen sind, kann aber der Gesichtspunkt der Effektivität eine wichtige Rolle spielen. So erscheint es zum Beispiel hinsichtlich der Vergabe des Impfstoffs von AstraZeneca sinnvoll, beruflich besonders exponierte Personen, die eine hohe Zahl von Kontakten nicht vermeiden können, zu bevorzugen.“

„Die Einschränkung individueller Freiheiten erfordert starke Rechtfertigungsgründe. Zwar vermag der Schutz anderer Menschen vor Ansteckung mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung staatliche Zwangsmaßnahmen zu legitimieren. Wenn sich die vorliegenden Ergebnisse zur Verhinderung der Virusübertragung durch den BioNTech-Impfstoff erhärten und für andere Impfstoffe bestätigen, geht aber von geimpften Personen keine gravierende Gefahr aus. Damit gibt es auch kein stichhaltiges Argument mehr, warum die Freiheiten von geimpften Personen weiter eingeschränkt werden müssen. Die Frage, ob bereits die gesamte Bevölkerung Gelegenheit hatte, eine Schutzimpfung in Anspruch zu nehmen, ist für die Aufhebung von Beschränkungen unerheblich. Die vermeintliche Unzufriedenheit noch nicht geimpfter Personen, die länger auf die Wiedererlangung ihrer Freiheiten warten müssen, ist kein plausibler Grund, geimpften Personen mögliche Freiheiten vorzuenthalten. Die Erhöhung der Impfbereitschaft, die die Aussicht auf eine frühere Rückkehr zu einem ‚normalen Leben’ erwarten lässt, spricht noch zusätzlich für die Aufhebung von Freiheitsbeschränkungen für Geimpfte.“

Prof. Dr. Anke Huckriede

Professorin für Vakzinologie, Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universität Groningen

„Solche epidemiologischen Studien aus Israel und dem Vereinigten Königreich sind das, was wir jetzt brauchen. Die Daten aus diesen Studien sind sehr ermutigend, dass der Einsatz von Impfstoffen im echten Leben Infektionen verhindern kann. Wir können aus diesen Daten viel lernen, denn bis wir so weit sind, wie beispielsweise Israel, dauert es noch etwas.“

„Bevor es richtig losging mit der Impfstoff-Entwicklung sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon ausgegangen, dass Vakzine auch Infektionen und damit die Übertragung der Viren verhindern können. Dann legten Zwischenergebnisse aus Rhesus-Affen nahe, dass die Impfstoffe die Tiere zwar vor der Lungenerkrankung schützen konnten, die Viruslast bei einer Infektionen allerdings noch ähnlich hoch lag. Seitdem beschäftigt man sich damit, dass es durchaus einen Unterschied in der Wirksamkeit geben könnte, mit der Impfstoffe die Krankheit oder Übertragungen verhindern können. Allerdings ist es sehr kompliziert letzteres zu messen. Eine klinische Studie zum Impfstoff von AstraZeneca hatte diesen Endpunkt zwar untersucht, allerdings waren auch diese Daten noch vorläufig.”

„Wichtig wäre es weiterhin auch zu untersuchen, wie sich die Immunantwort von Geimpften und Genesenen über die Zeit verändert. Beispielsweise könnte man auch anhand der Antikörper-Antwort von Geimpften sehen, ob sie zwischenzeitlich mit SARS-CoV-2 in Kontakt gekommen sind. Die mRNA-Impfung induziert ja lediglich Antikörper gegen das Spike-Protein, eine natürliche Infektion würde auch Antikörper gegen beispielsweise das N-Protein des Virus hervorrufen.“

„Außerdem ist es wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass die Immunantwort auf eine intramuskuläre Impfung eine andere Qualität aufweist als eine natürliche Infektion. Eine Impfung induziert vor allem Antikörper, die im Blut zirkulieren und nicht – wie eine Infektion über die Atemwege – Antikörper, vor allem IgA, die in den Geweben der oberen Atemwege vorkommen und den Erreger direkt vor Ort neutralisieren können. Zwar werden auch einige der Antikörper aus dem Blut dorthin transportiert, aber um einen gute, sogenannte mukosale Immunität aufzubauen, wären über die Atemwege applizierte Impfstoffe sicher besser geeignet. Diese sind auch im Falle von Influenza seit mehreren Jahrzehnten Gegenstand der Forschung. Allerdings gibt es bisher lediglich einen Lebend-Impfstoff – Flumist –, der als Nasenspray verabreicht wird. Allerdings ist die Entwicklung eines Lebend-Impfstoffs eine komplizierte und zeitraubende Angelegenheit. Diese Impfstoffe sind für SARS-CoV-2 in Entwicklung, aber ich erwarte nicht, dass sie in absehbarer Zeit Marktreife erlangen.“

„Ich sehe das Lockern der Maßnahmen und eine Rückgabe von Rechten an Geimpften derzeit noch als verfrüht an. Es ist problematisch, wenn bisher noch wenige Leute die Chance hatten, sich überhaupt impfen zu lassen. Auf die Dauer wird man nicht darum herum kommen, die einschneidenden Maßnahmen für Geimpfte zu lockern.“

Prof. Dr. Verina Wild

Inhaberin der Professur für Ethik der Medizin, Universität Augsburg

„Die derzeitige Impfpriorisierung hat zum Ziel, die Zahl der Todesfälle und schweren Erkrankungen zu reduzieren, außerdem sollen Menschen geschützt werden, die in besonders engem Kontakt zu COVID-19-Patienten stehen. Auch die Verhinderung der Transmission hat die Ständige Impfkommission (STIKO) ihrer Priorisierung zugrunde gelegt. Insgesamt soll durch die Priorisierung weiterer Schaden durch die Pandemie möglichst zielgerichtet verhindert werden, und diese Strategie ist sehr plausibel. Sie beinhaltet zum Beispiel auch die Möglichkeit, Lehrkräfte mit Risikoerkrankungen vorrangig zu impfen. Der Wunsch, von der Priorisierung abzuweichen, ist zwar nachvollziehbar – und es gibt viele Gruppen, die darauf drängen, ebenfalls priorisiert zu werden. Es ist auch richtig, dass Lehrkräfte, Erzieher/innen und andere besondere Gruppen zügig geimpft werden sollten. Allerdings sollte es eher über insgesamt massiv erhöhte Anstrengungen passieren, die Anzahl und Umsetzung der Impfungen zu verbessern. Und solange die einschränkenden Maßnahmen nicht aufgehoben werden können, müssen noch größere Anstrengungen erbracht werden, Folgeschäden abzumildern – insbesondere für Kinder und sozial Benachteiligte.“

„Es gibt gute Hinweise darauf, dass Impfungen auch dazu beitragen, die Übertragung des Virus vom Geimpften auf andere zu verhindern oder zumindest zu reduzieren. Das sind sehr gute Nachrichten. Allerdings weiß man noch nicht, wie lange dieser Effekt anhält, ob er bei allen Impfstoffen auftritt oder ob er bei allen Menschen gleich stark ist. Außerdem kann ja noch längst nicht jeder geimpft werden, der möchte. Schon allein deshalb ist das Einräumen von mehr Freiheiten für Geimpfte derzeit nicht vertretbar. Wenn zum jetzigen Zeitpunkt nämlich bestimmten Gruppen ein Vorrecht auf vorrangige Impfung eingeräumt wird, stehen damit alle anderen Gruppen zunächst zurück. Eine Bevorzugung der Geimpften durch derzeit noch besondere Freiheiten wäre deswegen unfair denjenigen gegenüber, die noch kein Impfangebot erhalten konnten. Wenn aber allen ein Impfangebot mit einem Impfstoff gemacht werden konnte, der sicher die Transmission verhindert, sollten diejenigen, die es annehmen, wieder alle Grundfreiheiten in Anspruch nehmen können. Diejenigen, die aus guten Gründen nicht geimpft werden können, sollten das ebenso können. Wer sich allerdings nicht impfen lassen will und keine guten Gründe dafür vorbringen kann (bei einer erwiesenermaßen sicheren und wirksamen Impfung), wird aber vielleicht bestimmte Freiheitseinschränkungen in Kauf nehmen müssen. Eine Impfung, die auch die Transmission verhindert, macht man ja nicht nur zum Eigenschutz, sondern auch, um gemeinsam dazu beizutragen, weitere Ausbrüche im Sinne aller zu verhindern. Bei dieser schwierigen ethischen Abwägung kommt es auch darauf an, wie sich die Eigenschaften des Virus und der Erkrankung entwickeln. Das Ziel sollte auf jeden Fall bleiben, breite Impferfolge durch eine effektive, faire, gut organisierte und gut kommunizierte Impfstrategie zu erzielen, sodass alle wieder ein normalisiertes Leben führen können.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Frank Dietrich: „Es liegen keine Interessenkonflikte vor.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Weekes M et al. (2021): Single-dose BNT162b2 vaccine protects against asymptomatic SARS-CoV-2 infection. Authorea. DOI: 10.22541/au.161420511.12987747/v1.

Es handelt sich um eine noch nicht wissenschaftlich begutachtete (peer reviewed) Studie, die daher mit Vorsicht zu behandeln ist.

[II] Hall VJ et al. (2021): Effectiveness of BNT162b2 mRNA Vaccine Against Infection and COVID-19 Vaccine Coverage in Healthcare Workers in England, Multicentre Prospective Cohort Study (the SIREN Study). Preprints with The Lancet. DOI: 10.2139/ssrn.3790399.

Es handelt sich um eine noch nicht wissenschaftlich begutachtete (peer reviewed) Studie, die daher mit Vorsicht zu behandeln ist.

[III] Dagan N et al. (2021): BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine in a Nationwide Mass Vaccination Setting. NEJM. DOI: 10.1056/NEJMoa2101765.

[IV] Voysey M et al. (2021): Single-dose administration and the influence of the timing of the booster dose on immunogenicity and efficacy of ChAdOx1 nCoV-19 (AZD1222) vaccine: a pooled analysis of four randomised trials. The Lancet. DOI: 10.1016/S0140-6736(21)00432-3.

[V] Isho B et al. (2020): Mucosal versus systemic antibody responses to SARS-CoV-2 antigens in COVID-19 patients. medRxiv.

Es handelt sich um eine noch nicht wissenschaftlich begutachtete (peer reviewed) Studie, die daher mit Vorsicht zu behandeln ist.

[VI] Gallo O et al. (2020): The central role of the nasal microenvironment in the transmission, modulation, and clinical progression of SARS-CoV-2 infection. Mucosal Immunology. 10.1038/s41385-020-00359-2.

[VII] Russel MW et al. (2020): Mucosal Immunity in COVID-19: A Neglected but Critical Aspect of SARS-CoV-2 Infection. Frontiers in Immunology. DOI: 10.3389/fimmu.2020.611337.