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23.05.2019

Geburten nach Uterus-Transplantation in Deutschland

In Deutschland sind offenbar die ersten beiden Kinder nach Uterus-Transplantationen geboren worden. Das Universitätsklinikum Tübingen verkündete das am 23.05.2019 auf einer Pressekonferenz (siehe Primärquelle).

Zwei Frauen haben dort vor kurzem jeweils ein Kind per Kaiserschnitt zur Welt gebracht, nachdem ihnen zuvor ebenfalls in Tübingen Gebärmütter von Spenderinnen transplantiert wurden. Beide sind aufgrund einer angeborenen Fehlbildung, dem Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom, ohne Gebärmutter geboren worden. Die Spenderinnen der beiden Uteri waren nahestehende Personen; in einem Fall war es die Mutter der Patientin. Eben diese Transplantation erregte schon im Oktober 2016 als erste Uterus-Transplantation in Deutschland öffentliche Aufmerksamkeit.

An den Transplantationen in Tübingen waren jeweils auch Ärzte aus Göteborg, Schweden, beteiligt, die als Pioniere auf dem Gebiet der Gebärmutter-Transplantation gelten. Bisher gab es weltweit circa 40 Transplantationen dieser Art mit über 10 Geburten. In Südamerika brachte eine Frau im vergangenen Jahr das erste Kind nach einer Uterus-Transplantation von einer verstorbenen Spenderin zur Welt [I]. Im deutschsprachigen Raum wird diese Art der Transplantation bislang nur im Rahmen von Forschungsprojekten durchgeführt. Auch die Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK) der Schweiz bewertet die Uterus-Transplantation als ein experimentelles Verfahren, schließt allerdings nicht aus, dass es nach weiterer umfassender Forschung – vor allem zu mittel- und langfristigen Effekten auf die Gesundheit der Kinder – Eingang in die Therapie finden könnte [II].

 

Übersicht

  • Prof. Dr. Dr. Xavier Rogiers, Leiter des Transplantationszentrums, Universitätskrankenhaus Gent, Belgien
  • Dr. Claudia Bozzaro, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
  • Prof. Dr. Matthias Beckmann, Direktor der Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen

Statements

Prof. Dr. Dr. Xavier Rogiers

Leiter des Transplantationszentrums, Universitätskrankenhaus Gent, Belgien

„Dieses sind die ersten zwei erfolgreichen Schwangerschaften nach Uterus-Transplantation in Deutschland und selbst innerhalb der acht europäischen Länder, die im Rahmen von Eurotransplant bei Organspende und Transplantation zusammenarbeiten.“

„Aus ethischer Sicht ist es wichtig, ein Gleichgewicht zu finden zwischen den Risiken für den Lebendspender – sie sind vermutlich sehr gering aber, nicht Null – und der gebotenen Chance der Empfängerin, ein eigenes Kind zu bekommen. Auch die Vor- und Nachteile der Alternativen – Adoption oder Leihmutterschaft – müssen hierbei abgewogen werden.“

„Es wird nun immer klarer, dass Uterus-Transplantation eine bleibende Rolle in der Behandlung von uteriner Infertilität spielen wird. Auch andere Indikationen, wie Uterus-Entfernung bei Frühstadien von Krebs, Uterus-Trauma oder uterine Infertilität durch Verwachsungen im Inneren des Uterus, könnten eine Rolle spielen. Es wäre nur logisch, dass – ähnlich wie bei der ovariellen Infertilität durch Eizell- oder Embryotransfer – auch die Behandlung von uteriner Infertilität in Zukunft von den Krankenkassen übernommen wird. Sonst würde diese therapeutische Möglichkeit nur den Reichen vorbehalten bleiben.“

„Aus eigener Erfahrung in Belgien stellen wir fest, dass die Zahl der Frauen, die eine Uterus-Transplantation brauchen, sehr wahrscheinlich größer ist als die Zahl der geeigneten Organspenderinnen. Deswegen ist eine vorsichtige Entwicklung der Lebendspende aus meiner Sicht verantwortbar.“

Dr. Claudia Bozzaro

wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

„Wesentlicher Bestandteil des ärztlichen Ethos ist das sogenannte Nicht-Schadens-Gebot, also die Pflicht eines Arztes, einem Patienten keinen Schaden zuzufügen. Bei einer Uterus-Transplantation wird eine gesunde Spenderin einer äußerst invasiven Maßnahme – nämlich einer mehrstündigen Operation unterzogen – die für sie keinen gesundheitlichen Nutzen hat. Das widerspricht diesem medizin-ethischen Prinzip. Im Kontext bereits bestehender Transplantationspraktiken durch Lebendspende ist diese ethische Problematik dadurch gelöst worden, dass letztlich davon ausgegangen wird, dass der Schaden, der einem Spender zugefügt wird, im Verhältnis zum Nutzen für den Empfänger so gering ist, dass sich das in der Summe rechtfertigt. Diese Argumentation ist bislang allerdings in Bezug auf Transplantationen der Nieren und Leber erfolgt, durch die das Leben des Empfängers gerettet wurde. So genannte lebensqualitäts-verbessernde Transplantationen – Gesichtstransplantation, Gliedertransplantation und weitere – erfolgen hingegen nicht durch eine Lebendspende. Bei der Uterus-Transplantation handelt es sich um eine lebensqualitäts-verbessernde Transplantation, da die Infertilität keine lebensbedrohliche Erkrankung darstellt. Dies wirft die Frage auf, ob die Schaden-Nutzen-Abwägung in diesem Fall eine ethische Legitimation für diese Intervention liefert.“

„Ich bin eher skeptisch und halte die Uterus-Transplantation für ein nicht-verhältnismäßiges Mittel, einer Frau eine Schwangerschaft zu ermöglichen.“

Auf die Frage, wie hoch der Kinderwunsch gegenüber Risiken für Spenderin und Empfängerin zu bewerten ist:
„Das ist hier die zentrale Frage und es ist eine Frage, die sich naturgemäß schwer beantworten lässt. Ein unerfüllter Kinderwunsch kann eine enorme Belastung sein und kann mit großem Leiden einhergehen. Die Uterus-Transplantation ist jedoch – anders als gängige reproduktionsmedizinische Maßnahmen, wie die IVF (In-Vitro-Fertilisation, künstliche Befruchtung; Anm. d. Red.) – eine derart invasive, risikoreiche und sowohl ökonomisch als auch personell aufwendige Intervention, dass es mir nicht mehr plausibel erscheint, sie mit dem Verweis auf einen unerfüllten Kinderwunsch als Maßnahme zu legitimieren. Zumal es andere Wege gibt, einen Kinderwunsch zu ermöglichen, beispielsweise eine Adoption, und wir auch nicht vergessen dürfen, dass diese alternativen Wege – trotz aller Erfolge der Reproduktionsmedizin – sehr häufig lediglich einen Versuch darstellen und bei Weitem keine Garantie ‚auf ein eigenes genetisches Kind‘ geben.“

Auf die Frage, inwiefern sich die Uterus-Transplantation als Standardtherapie bei Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom etablieren sollte:
„Das kann ich schwer einschätzen. Ich glaube, das größte Problem bei einer Etablierung dieser Maßnahmen wäre die Frage, ob es dann genug Spenderinnen gäbe, um den Bedarf zu decken. Hier kommen dann auch Fragen nach möglichen Gefahren für potenzielle Spenderinnen zum Tragen – im Sinne eines sozialen Drucks zur Spende oder sogar eines Missbrauchs vulnerabler Spenderinnen-Gruppen.“

„Ich denke, eine Ausweitung auf weitere medizinische Indikationen würde es auf jeden Fall geben, sollte sich das Verfahren etablieren und verbessern. In der Konsequenz würde die Frage nach der Bedarfsdeckung noch akuter werden.“

„Mich würde sehr interessieren, wie die Kollegen in Tübingen die durchgeführten Uterus-Transplantationen finanziert haben. In Anbetracht der hohen sowohl personellen als auch ökonomischen Kosten bei dieser Maßnahme und in Anbetracht der Tatsache, dass wir es hier nicht mit der Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung zu tun haben, würde ich die Notwendigkeit einer Unterstützung durch die Gesellschaft nicht sehen. Was dann natürlich wieder zum Gerechtigkeits-Problem führen würde, dass der teure Eingriff nur wenigen zur Verfügung stehen würde.“

„Nach allem, was ich aus der bisher veröffentlichten Literatur weiß, gibt es gute medizinische Gründe, um eine Lebendspende einer Totenspende vorzuziehen. Prinzipiell wäre eine Totenspende selbstverständlich vorzuziehen, aber wenn man die Zahl potenzieller Empfängerinnen als Maßstab nimmt, ist es numerisch unwahrscheinlich, dass man mit Totenspenden den möglichen ‚Bedarf‘ überhaupt decken könnte. Zumal sich dann auch die Frage nach den Kriterien für eine gerechte Verteilung der Organe stellen würde, was in Anbetracht der Tatsache, dass wir es dabei mit keiner Krankheit mit Dringlichkeitswert zu tun haben, mit weiteren Herausforderungen einhergeht.“

Prof. Dr. Matthias Beckmann

Direktor der Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen

„Wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt schon, wie die Vorgehensweise bei den Transplantationen war. Dass die Transplantation erfolgt ist und erfolgreich war, ist auf dem Gynäkologen-Kongress in Stuttgart vor zweieinhalb Jahren mehrfach diskutiert, publiziert und demonstriert worden. Professor Brännström (der beteiligte schwedische Arzt und Pionier auf dem Gebiet; Anm. d. Red.) war ebenfalls dort mit einem Vortrag genau zu diesem Thema und hat in diesem Vortrag dargestellt, wie die Transplantation stattgefunden hat. Es waren lebende Frauen als Spenderinnen.“

„Grundsätzlich ist es so, dass es immer gut ist, wenn zwei gesunde Kinder auf die Welt gekommen sind. Das zeigt, dass diese Methode funktioniert. Die ethischen Implikationen von einer Lebendspende ergeben sich eben daraus, dass für die Spenderin ein erhöhtes Risiko bei der Entnahme besteht. Transplantationstechnisch ist es aber ehrlich gesagt der bessere Weg. Auch wenn in einer Lancet-Publikation eine einzige Transplantation von einer hirntoten Spenderin gezeigt wurde [1], so zeigt sich doch in allen anderen Arbeitsbereichen, dass es nur einen Erfolg gibt, wenn lebende Spenderinnen gezielt ausgesucht werden. Es ist einfach technisch besser, dass das Organ nicht so lange nicht durchblutet ist und die Ergebnisse sind ebenfalls besser. Bis auf die Geburt des einen Kindes, welche im Lancet publiziert worden ist, sind alle Kinder von Transplantaten von Lebendspenderinnen geboren worden.“

„Ich denke nicht, dass die Uterus-Transplantation eine Standardtherapie werden wird, sondern sie wird eine Therapie für ausgewählte Frauen werden.“

„Bei der hohen Anzahl an Nachfragen müsste eine sehr hohe Anzahl an Transplantationszentren vorhanden sein. Dieses ist zum derzeitigen Zeitpunkt nicht sichtbar, so dass ich denke, dass es einigen hochspezialisierten Zentren vorbehalten sein wird.“

„Ich denke, dass die Ausweitung auf andere Infertilitätsgründe, wie etwa eine Uterus-Entnahme bei einer Krebserkrankung, möglich ist. Bei Krebserkrankungen oder ungeklärter Infertilität würde ich den Eingriff eher nicht durchführen. Man sollte sich auf ein spezielles Klientel fokussieren.“

„Der Eingriff muss im Gesundheitssystem nach den Regularien, das heißt, Ernennung einer DRG (diagnosis related groups; Gruppen unterschiedlicher Diagnosen- und Prozedurenkombinationen mit vergleichbarem ökonomischem Aufwand; Anm. d. Red.) und den Antrag einer NUB (neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden; Therapieformen, die neu in den Gesundheitsmarkt eingeführt wurden; Anm. d. Red.) etabliert und dann durch die Kassen finanziert werden – egal ob als private oder allgemeine Kassenleistung. Anders sehe ich keine Möglichkeit, hier einen richtigen Weg zu gehen, um dieses als ein Standardverfahren zukünftig zu etablieren und einem speziellen Klientel die Möglichkeit des Elternwerdens zu ermöglichen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine angegeben.

Primärquelle

Gesunde Kinder nach Gebärmuttertransplantation. Pressemeldung des Universitätsklinikum Tübingen, 23.05.2019.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Ejzenberg D et al. (2018): Livebirth after uterus transplantation from a deceased donor in a recipient with uterine infertility. The Lancet; 392, 10165: 2697-2704. DOI: 10.1016/ S0140-6736(18)31766-5i. 

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Science Media Center (2018): Weltweit erste Geburt nach Uterus-Transplantation von verstorbener Spenderin. Research in Context. Stand: 05.12.2018. 

[II] Büchler A et al. (2018): Das Verfahren der Uterustransplantation – ethische Erwägungen. Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK), Stellungnahme Nr. 29/2018.

Weitere Recherchequellen

Bozzaro C et al. (2019): Uterustransplantation. Ethisch gerechtfertigt? Ethik in der Medizin; pp 1–17. DOI: 10.1007/s00481-019-00519-4. 

Petrini C et al. (2017): Ethical Issues in Uterine Transplantation: Psychological Implications and Informed Consent. Transplant Proc. 49 (4): 707-710. DOI: 10.1016/j.transproceed.2017.02.013.