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07.04.2021

Mögliche Nebenwirkungen und Impfempfehlungen für AstraZeneca-Impfstoff in Deutschland und in der EU

Der COVID-19-Impfstoff AZD1222 vom britisch-schwedischen Hersteller AstraZeneca – neuerdings Vaxzevria genannt – steht im Verdacht, sehr selten Thrombosen zusammen mit einem Mangel an Blutplättchen als unerwünschte Nebenwirkung auszulösen. In Deutschland sind bisher vor allem jüngere Frauen davon betroffen. Am 01.04.2021 veröffentlichte die Ständige Impfkommission (STIKO) einen Beschlussentwurf, in dem sie die Impfung mit diesem Vakzin deshalb nur noch für Menschen über 60 Jahre empfiehlt. Personen, die bereits eine Erstimpfung mit dem Impfstoff erhalten haben, sollen als zweite Dosis einen der zugelassenen RNA-Impfstoffe erhalten [I]. Eine ausführliche wissenschaftliche Begründung dieser Entscheidung wird in diesen Tagen zeitnah nach Ostern erwartet. Zuvor berichtete das Paul-Ehrlich-Institut zuletzt am Montag, 29.03.2021, insgesamt von 31 Fällen von Sinusthrombosen, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten sind.

Neben Deutschland haben auch weitere Länder der EU die Nutzung des Impfstoffes eingeschränkt – so zum Beispiel Frankreich oder die Niederlande. Andere impfen jedoch in allen Altersgruppen weiter mit AZD1222, wie Österreich. Heute beginnend tagt bis einschließlich Freitag das für die Bewertung und Sicherheit von Humanarzneimitteln zuständige Pharmakovigilance Risk Assessement Committee (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) turnusmäßig. Fachleute erwarten dabei auch eine weitere Einordnung der Sicherheitssignale zum AstraZeneca-Impfstoff. Laut einem aktuellen Bericht der britischen Behörde MHRA – Medicines and Health Care Regulatory Agency seien im Vereinigten Königreich bis zum 24.03.2021 einschließlich 22 Fälle der seltenen Sinusthrombose und acht weitere Thrombosefälle zusammen mit einem Mangel an Blutplättchen aufgefallen, bei über 18 Millionen Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff [II]. Die dortigen Gremien kamen bisher zu dem Schluss, dass der Nutzen der Schutzimpfung vor Infektionen das seltene Thromboserisiko für alle Altersgruppen weiterhin überwiegt, und beschränkten die Impfempfehlungen nicht. Ein weiterer Bericht wird für diese Woche erwartet. Die Ergebnisse aus dem Vereinigten Königreich sind auch deshalb wichtig, weil die große Menge an verimpften Dosen und das Monitoring-System über sogenannte „Yellow Cards“ eine umfangreiche Datengrundlage zur Analyse bietet.

Kürzlich stellte der Greifswalder Forscher Andreas Greinacher mit weiteren internationalen Forschenden einen möglichen Mechanismus in einer vorläufigen Publikation vor, wie die seltenen Thrombosen nach Impfungen entstehen könnten. Ihrer Hypothese nach bilden sich durch die Impfung Antikörper, die ein noch unbekanntes Antigen zusammen mit dem Plättchenfaktor 4 der Blutgerinnungskaskade binden können und gleichzeitig Blutplättchen aktivieren, die dann verklumpen und Gerinnsel bilden. Unabhängige Fachleute schätzten diese Hypothese zwar als plausibel ein [III], allerdings basierten die ersten Untersuchungen nur auf sehr wenigen Fällen und wichtige Fragen bleiben bisher ungeklärt. Ob die Impfung die sehr selten aufgetretenen Thrombosen (nur) über den beschriebenen Mechanismus verursacht, ist somit noch nicht abschließend geklärt.

Wie ist die STIKO zu ihrer aktualisierten Empfehlung der Altersbegrenzung gelangt? Welche Daten sind in die Bewertung eingeflossen? Welche Unsicherheiten bleiben bestehen? Welche Daten werden derzeit erhoben, die mehr Evidenz zur Beurteilung der möglichen seltenen Nebenwirkungen liefern könnten? Warum bewerten internationale Fachleute und Gremien die Situation in Bezug auf das Verhältnis von Nutzen und Risiken anders als nationale? Wie sind die Risiken individuell und auf Bevölkerungsebene abzuwägen? Inwiefern wirkt sich die Empfehlung der STIKO auf den Fortgang der Impfkampagne aus?

In Vorbereitung auf die etwaigen neuen Entwicklungen auf europäischer Ebene in dieser Woche beantworteten Fachleute diese Fragen – und Ihre! – bei einem virtuellen Press Briefing.

Expertin und Experten auf dem Podium

     

  • Prof. Dr. Christian Bogdan 
    Direktor des Mikrobiologischen Instituts – Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene, Universitätsklinikum Erlangen, und Mitglied der Ständigen Impfkommission
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  • PD Dr. Robert Klamroth
    Chefarzt der Klinik für Innere Medizin – Angiologie und Hämostaseologie Zentrum für Gefäßmedizin, Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Berlin, und stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH)
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  • Dr. Marianne Röbl-Mathieu
    Niedergelassene Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in München, und Mitglied der Ständigen Impfkommission
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Video-Mitschnitt & Transkript

Hier gehts zum Video auf unserem YouTube-Channel.

Ein Transkript finden Sie hier.

Literaturstellen, die vom SMC verwendet wurden

[I] Ständige Impfkommission (01.04.2021): Beschluss der STIKO zur 4. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung und die dazugehörige wissenschaftliche Begründung.

[II] Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (01.04.2021): Coronavirus vaccine - weekly summary of Yellow Card reporting.

[III] Science Media Center (30.03.2021): Mechanismus zur Entstehung von Thrombosen nach Impfung gefunden? Research in Context.