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29.06.2022

Nicht-invasiver Pränataltest (NIPT) als Kassenleistung

Ab Juli 2022 können Patientinnen und Patienten den nicht-invasiven Pränataltest (NIPT) auf Trisomien im Rahmen einer kassenärztlichen Leistung in Anspruch nehmen. Laut Versicherteninformation des G-BA kann der Test, bei dem es sich ausdrücklich nicht um eine Standard- beziehungsweise Routineuntersuchung handeln soll, in begründeten Einzelfällen und nach ärztlicher Beratung durchgeführt werden – frühestens ab der zehnten Schwangerschaftswoche.

Basierend auf einer Blutprobe kann der NIPT, oder auch zellfreie fetale DNA-Analyse (cffDNA) genannt, das Risiko für Trisomie 13, 18 und 21 zuverlässiger als bisherige Tests bestimmen. Die Methode wird in Deutschland werdenden Eltern seit 2012 als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) angeboten. Aufgrund seiner hohen Genauigkeit und der nicht-invasiven Vorgehensweise wurde über eine Änderung der Mutterschafts-Richtlinie entschieden, mit dem Ziel, die Fehlgeburtenrate der bisherigen Pränataldiagnostik zu senken.

In diesem Fact Sheet werden die wichtigsten Fakten zum NIPT kurz zusammengestellt.

Die Versicherteninformation des G-BA ist hier zu finden.

Das Fact Sheet kann hier als pdf heruntergeladen werden.

Übersicht

     

  • Risiko für ein Kind mit Trisomie
  •  

  • Bisherige Trisomie-Diagnostik
  •  

  • Was ist NIPT?
  •  

  • Wie könnte der NIPT die deutsche Schwangerenversorgung verändern?
  •  

  • Pränataldiagnostik im Ausland
  •  

  • Zukünftige Diagnostik – Eingliederung von NIPT in die Schwangerenvorsorge
  •  

  • Argumente aus Stellungnahmen zu NIPT als Kassenleistung
  •  

  • Literaturstellen, die zitiert wurden
  •  

  • Weitere Recherchequellen
  •  

Risiko für ein Kind mit Trisomie

     

  • Mit steigendem Alter der Mutter beziehungsweise bei einem elterlichen Gesamtalter von über 70 Jahren [1] steigt auch das Risiko für die Geburt eines Kindes mit Trisomie – einer Veränderung des Erbguts, bei der ein Chromosom dreifach statt zweifach in Körperzellen vorliegt.
  •  

  • Zu den klinisch wichtigsten Trisomien zählen die Trisomien 13, 18 und 21 (Down-Syndrom).
  •  

  • Für das Kind einer 35-jährigen Mutter beträgt das Risiko für Trisomie 21 1:249; das heißt, dass statistisch etwa vier von 1.000 Müttern ein Kind mit Trisomie zur Welt bringen [3].
  •  

  • In Deutschland entstehen über alle Altersgruppen bei 10.000 gezeugten Kindern 19,42 Fälle von Trisomie, davon werden nach Schätzungen von EUROSCAT 11,24 von 10.000 abgetrieben (gemittelte Zahlen von 2011 bis 2017 in Deutschland) [2].
  •  

  • Durchschnittliches Trisomie-21-Risiko, abhängig vom Alter der Mutter [3]:
    • 20 Jahre: 1:1068
    • 25 Jahre: 1:946
    • 30 Jahre: 1:626
    • 35 Jahre: 1:249
    • 40 Jahre: 1:68
  •  

Bisherige Trisomie-Diagnostik

     

  • Freiwilliges Ersttrimesterscreening (ETS) zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche (SSW)
  •  

  • Frauen müssen das ETS selbst bezahlen (IGeL).
  •  

  • Drei Werte werden ermittelt, um eine statistische Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Chromosomenstörung zu errechnen:
    • Transparenz des Nackens des Ungeborenen im Ultraschall.
    • Blutwert des Hormons „humanes Choriongonadotropin“ (beta-hCG).
    • Blutwert des Proteins „pregnancy-associated plasma protein A” (PAPP-A).
  •  

  • 90 Prozent der tatsächlichen Trisomie-Fälle werden durch das ETS erkannt (Detektionsrate) mit einer Rate an falsch-positiven Ergebnissen von drei bis fünf Prozent [6]; bei einem Risiko von 1:300: Sensitivität 87,26 % und Spezifität 95,50 % [14].
  •  

  • Ergibt sich beim ETS hohes Risiko für Trisomie, gehören sie zur Risikogruppe und eine invasive Diagnostik kann kostenfrei in Anspruch genommen werden.
  •  

  • Für Mütter über 35 Jahre und Risikoschwangere übernehmen Krankenkassen die Kosten für invasive Diagnostik auch ohne vorangegangenen ETS.
  •  

  • Die invasive Diagnostik umfasst:
    • Punktion der Fruchtblase; Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese), ab der 14. SSW durchführbar
    • Punktion der Plazenta (Chorionzottenbiopsie), ab der zehnten bis elften SSW durchführbar
  •  

  • Zum Risikokollektiv gehören entsprechend den Mutterschafts-Richtlinien [4] unter anderem:
    • Erstgebärende über 35 Jahre (circa neun Prozent aller Schwangeren in Deutschland, Stand 2017 [5])
    • Erstgebärende unter 18 Jahren (circa 0,35 Prozent aller Schwangeren in Deutschland, Stand 2017 [5])
    • Mehrlingsschwangerschaften
    • Frauen, bei denen das ETS ein erhöhtes Risiko ergab
    • vorangegangene Schwangerschaft mit einem Kind mit Trisomie, einem Kind über 4.000 Gramm Gewicht, Mehrlingen
    • schwere Allgemeinerkrankungen der Mutter (zum Beispiel an Niere und Leber oder erhebliche Adipositas)
    • chronische Krankheiten
    • Diabetes und Bluthochdruck
    • vorangegangene Kaiserschnittentbindung oder Komplikationen
    • Rhesusunverträglichkeit
    • Weitere seltene Risikofaktoren führen zu der Einordnung Risikoschwangerschaft.
  •  

  • Die meisten Risikofaktoren sind nicht mit einem erhöhten Risiko für Trisomie verknüpft.
  •  

Was ist NIPT?

     

  • Nicht-invasiver Pränataltest (NIPT) kann bereits im ersten Drittel der Schwangerschaft genetisch bedingte Krankheiten des ungeborenen Kindes feststellen.
  •  

  • Benötigt wird lediglich eine Blutprobe der Schwangeren.
  •  

  • Die im Blut nachweisbaren freien fetalen DNA-Bestandteile der Chromosomen 13, 18, und 21 werden gezählt.
  •  

  • Ab der zehnten Schwangerschaftswoche sind etwa zehn Prozent der freien DNA-Bestandteile im Blut der Mutter kindlichen Ursprungs.
  •  

  • Wenn mehr Anteile des jeweiligen Chromosoms vorhanden sind als normalerweise erwartet werden und die Mutter selbst keine Veränderungen des Chromosomensatzes hat, müssen die zusätzlichen DNA-Bruchstücke des Chromosoms vom Kind stammen.
  •  

  • Das bedeutet: Bei dem Kind liegt zusätzlich zu den zwei üblichen ein drittes Chromosom vor; man spricht von einer Trisomie.
  •  

  • Weitere genetische Untersuchungen, beispielsweise auf eine Abweichung der Zahl der Geschlechtschromosomen, sind technisch möglich, jedoch nicht Gegenstand der derzeitigen NIPTs.
  •  

Testgenauigkeit [14]

     

  • Der Test erkennt verschiedene Trisomien unterschiedlich genau und in Abhängigkeit von dem Risiko der Population, in der er angewendet wird
  •  

  • Sensitivität gibt die Wahrscheinlichkeit an, tatsächlich Betroffene als solche zu identifizieren.
  •  

  • Spezifität gibt die Wahrscheinlichkeit an, tatsächlich Gesunde als solche zu identifizieren.
  •  

  • Trisomie 21 (Down-Syndrom): Sensitivität 99,13 % und Spezifität: 99,95 %
  •  

  • für Trisomie 13 und Trisomie 18 sind die Schätzungen für die Sensitivität der Tests nicht robust, weil sie über viele Studien hinweg stark variieren und weil es generell nur kleine Fallzahlen gibt, für die Spezifität liegen derweil robuste Belege vor. Zur Vollständigkeit dennoch beide Werte:
    • Trisomie 18 (Edwards-Syndrom): Sensitivität: 93,01 % und Spezifität: 99,94 %
    • Trisomie 13 (Pätau-Syndrom): Sensitivität: 87,47 % und Spezifität: 99,97 %
  •  

Faktoren, die die Testgenauigkeit beeinflussen können [7]

     

  • Schwangerschaftswoche
  •  

  • Übergewicht, erhöhter Body-Mass-Index
  •  

  • Trisomie der Mutter
  •  

  • Zwillingsschwangerschaft
  •  

  • Rauchen (Raucher haben eine eingeschränkte Plazentaentwicklung)
  •  

  • Künstliche Befruchtung (bei künstlichen Befruchtungen kann es dazu kommen, dass sich die Plazenta nicht ordentlich ausbildet)
  •  

Anbieter

     

  • Alle Testanbieter können auf Trisomie 13, 18 und 21 testen.
    • Die Kosten liegen aktuell zwischen 170 und 300 Euro für Trisomie 13, 18 und 21.
    • Der Test kann je nach Anbieter ab der neunten oder zehnten Schwangerschaftswoche durchgeführt werden.
    • Die meisten Test können auch bei Zwillingsschwangerschaften oder nach Kinderwunschbehandlung (zum Beispiel der in-vitro Fertilisation) angewandt werden.
    • Die Methodik des Tests basiert bei allen Anbietern auf Sequenzierungstechnologien.
  •  

  • Auch das Geschlecht des Kindes kann mit dem NIPT bestimmt werden.
  •  

  • Einige Anbieter können darüber hinaus noch auf diverse andere sehr seltene Chromosomenstörungen testen, die allerdings mit unterschiedlichen Detektionsraten verbunden sind, und deren Kosten vom Patienten privat getragen werden müssen:
    • Trisomie 9, 16, 22
    • einige Deletionssyndrome:
      • 5p / Cri-du-chat-Syndrom
      • 1p36
      • 2q33.1
      • 22q11.2 (DiGeorge Syndrom 2)
      • 16p12.2-p11.2
      • Jacobsen Syndrom
      • Van-der-Woude Syndrom
      • Prader-Willi- / Angelman-Syndrom
    • Monosomie X / 45, X (Turner Syndrom)
    • 47, XXX (Triplo-X-Syndrom)
    • 47, XYY (Diplo-Y-Syndrom)
    • 47, XXY (Klinefelter-Syndrom)
  •  

Wie könnte der NIPT die deutsche Schwangerenversorgung verändern?

     

  • Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) rechnete im Auftrag des G-BA zwei verschiedene Einsatzmöglichkeiten des NIPT bei Trisomie 21 im Vergleich zur bisherigen Versorgung durch (Tab. 1, siehe unten) [14]. Die Berechnung erfolgte im Vorfeld der G-BA-Beschlüsse vom 19. September 2019 und vom 19. August 2021.
  •  

  • Die Ergebnisse der IQWiG-Tabelle (Tab. 1, siehe unten) werden im Folgenden mit weiteren Informationen unterfüttert schriftlich erläutert; es handelt sich um drei Szenarien: (1) die bisherige Versorgung mit ETS, (2) NIPT nach positiven ETS und (3) NIPT für alle Schwangeren.
  •  

  • Bisher können Frauen zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche freiwillig, auf Selbstzahlerbasis das Ersttrimesterscreening (ETS) in Anspruch nehmen. Bei einem im Ergebnis hohen Risiko für eine Trisomie kann eine kostenfreie invasive Diagnostik angeschlossen werden.
  •  

  • Das ETS in der aktuellen Versorgung (1):
    • erzeugt aufgrund der Testgüte viele falsche Alarme und erkennt einige positive Fälle nicht
    • zieht eine große Anzahl invasiver Diagnostik nach sich
    • erzeugt dadurch kleine Anzahl an Fehlgeburten
  •  

  • NIPT könnte als Zweitlinienstrategie eingesetzt werden, also nach einem positiven ETS (2) (im Grunde gibt dies der G-BA nun auch in der Versicherteninformation an [22])
    • reduziert die Anzahl invasiver Diagnostik deutlich (im Beispiel aus Tab.1 rechnerisch von 4704 auf 209)
    • die Anzahl der durch die Diagnostik induzierten Fehlgeburten wird stark verringert (im Beispiel auf null)
    • bei der Strategie bleibt das Problem, dass die durch das ETS als vermeintlich negative Fälle aussortiert werden keinen NIPT erhalten und damit weiterhin nicht erkannt werden können
    • die Fachgesellschaft deutscher Humangenetiker (GfH) [8] bemängelte 2014, dass in diesem Szenario der NIPT erst ab der 11. bis 13. SSW eingesetzt werden kann, obwohl er schon ab der neunten SSW eingesetzt werden könnte
    • ETS kann laut der gynäkologischen Fachgesellschaft DGGG [9] in diesem Szenario weitere Chromosomenstörungen erkennen, die im aktuell diskutierten NIPT nicht erkannt werden
  •  

  • NIPT könnte für alle Schwangeren (3) unabhängig ihres Risikos verfügbar gemacht werden – also auf Basis der Testgüte als Ersatz für das ETS (mit dem aktuellen G-BA-Beschluss hinfällig, aber der Vollständigkeit halber hier dennoch aufgeführt):
    • der Test erkennt mehr der tatsächlich betroffenen Kinder, und übersieht damit weniger Trisomiefälle als (1) und (2)
    • es gibt dabei auch weniger fälschlicherweise als positiv klassifizierte Fälle als bei (1); im Vergleich zu (2) ist die Anzahl jedoch größer
    • aufgrund dessen ist auch die Anzahl der invasiven Diagnostik in diesem Szenario geringer als bei (1), jedoch höher als bei (2), weshalb hier die Fehlgeburten nicht bei null liegen
  •  

Hypothetische Szenarien des IQWiG für den Einfluss von NIPT auf die invasiven Diagnostiken und damit verbundenen Fehlgeburtenraten bei Trisomie 21
  Aktuelle Versorgung (1) (nur ETS)a

NIPT nach positivem ETS (2)a

für alle NIPT (3)b
Anzahl Föten mit Trisomie 240 209 240
ETS 100.000 100.000
NIPT 0 4.704 100.000
Richtig-positiv 209 207 238
Falsch-positiv 4.495 2 50
Falsch-negativ 31 2 2
Richtig-negativ 95.265 4.492 99.710
Invasive Diagnostik (ID) 4.704 209 288
Fehlgeburten durch ID (0,2 %) 9 0 1
Anzahl nicht erkannter Trisomien 31 32 2

 

Tabelle 1: Berechnungsparameter: (a) 100.000 Schwangerschaften mit einem Risiko für Trisomie 21 von 1:300 (entspricht in etwa dem Risiko einer 35-Jährigen), (b) bezogen auf die gesamte Bevölkerung; Inzidenz für Trisomie 21 beträgt 0,24 Prozent; das heißt zu erwarten sind 24 Trisomie 21-Fälle bei 10.000 Schwangerschaften; Quelle: [14].
 

Pränataldiagnostik im Ausland [10]

Österreich

     

  • Die Sozialversicherung übernimmt keine Kosten für die Pränataldiagnostik.
  •  

  • Bei einer vom Arzt begründeten Risikoschwangerschaften – ähnlich wie momentan in Deutschland – können die Kosten für ein Ersttrimesterscreening und/oder invasive Diagnostik von der Sozialversicherung übernommen werden.
  •  

  • Zu den Risikoschwangerschaften zählen:
    • ab 35 Jahren
    • eine genetischen Vorbelastung in der Verwandtschaft ersten Grades
    • bestimmte Komplikationen im Verlauf der vorangegangenen Schwangerschaften
  •  

Schweiz

     

  • ETS kostenfrei
  •  

  • Bereits ab mittlerem Risiko von 1:1000 für eine fetale Trisomie kostenfreies Angebot für NIPT.
  •  

Vereinigtes Königreich

     

  • ETS für alle schwangeren Frauen frei
  •  

  • Bei ermitteltem Risiko von mindestens 1:150 für eine fetale Trisomie kostenfreies Angebot für NIPT.
  •  

  • Schwangerschaftsabbruch bei fetalen Auffälligkeiten bis zum Ende der Schwangerschaft möglich (Grundlage: Abortion Act 1967; gilt nicht in Nordirland).
  •  

Dänemark

     

  • kostenfreies Pränatalscreening, seit 2004 ETS, 90 Prozent der Schwangeren nutzen Angebot [11]
  •  

  • Bei ermitteltem Risiko von mindestens 1:300 für eine fetale Trisomie kostenfreies Angebot für NIPT (nur für Trisomie 21).
  •  

  • 93 Prozent der dänischen Frauen, die den Test machen, brechen Schwangerschaft nach der Diagnose von Trisomie 21 ab (Abort) [12]
  •  

Niederlande

     

  • ETS ab 36 Jahren kostenfrei, bis 36 Jahre IGeL, 170 Euro
  •  

  • 30 Prozent der Schwangeren nutzen ETS.
  •  

  • Bei mittlerem Risiko von 1:200 nach ETS für fetale Trisomie wird NIPT kostenfrei angeboten.
  •  

  • Seit 2014 Studie Trident-1: NIPT wird allen Schwangeren mit erhöhter Wahrscheinlichkeit (ab 1:200) für Trisomie (nach ETS) angeboten; erstes Ergebnis: NIPT erkannte 97,4 Prozent der vorliegenden Trisomien, 0,4 Prozent der Tests ergaben ein falsch-positives Ergebnis, insgesamt führte NIPT zur Verringerung invasiver Diagnostiken um 62 Prozent [13].
  •  

  • Seit 2017 Studie Trident-2: allen Schwangeren wird alternativ zum ETS (168 Euro) für 175 Euro NIPT angeboten (als Erstscreening); Ziel: alle relevanten Aspekte der Einführung von NIPT im niederländischen pränatalen Screening-Programm zu untersuchen und zu bewerten [15].
  •  

Pränataldiagnostik im Ausland

Land

ETS (Erstattung)

NIPT (Erstattung)

Deutschland IGeL IGeL
Österreich Eigenleistung Eigenleistung
Schweiz kostenfrei

Risikoschwangere kostenfrei

(ab 1:1000)

UK

(ENG/WLS)

kostenfrei

Risikoschwangere kostenfrei

(ab 1:150)

Dänemark kostenfrei

Risikoschwangere kostenfrei

(ab 1:300, nur Trisomie 21)

Niederlande ab 36 Jahren kostenfrei

Risikoschwangere kostenfrei

(ab 1:200)

Tabelle 2. Quelle [10].
 

Zukünftige Diagnostik – Eingliederung von NIPT in die Schwangerenvorsorge

     

  • Im September 2019 entschied der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), dass die Mutterschafts-Richtlinien geändert werden und der NIPT in begründeten Einzelfällen von den Krankenkassen übernommen wird [23].
  •  

  • Zuvor, am 22. März 2019, hatte der G-BA nach vorausgegangenem Methodenbewertungs-verfahren die Einleitung eines Stellungnahmeverfahrens beschlossen, bei dem unter anderem folgenden Beteiligte die Gelegenheit erhalten eine schriftliche Stellungnahme abzugeben [16]:
    • Bundesärztekammer
    • Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
    • Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands e.V.
    • Maßgebliche Spitzenorganisatoren der Medizinproduktehersteller
    • Betroffene Medizinproduktehersteller
    • Organisierte Fachgesellschaften
  •  

Wann übernehmen die Krankenkassen den NIPT?

     

  • Die Kosten werden übernommen [22],
    • wenn sich aus anderen Untersuchungen ein Hinweis auf eine Trisomie ergeben hat (zum Beispiel nach dem Ersttrimesterscreening) oder
    • wenn eine Frau gemeinsam mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt zu der Überzeugung kommt, dass der Test in ihrer persönlichen Situation notwendig ist.
  •  

  • Voraussetzung für den NIPT ist „das Vorliegen des sonografisch bestimmten Gestationsalters (Schwangerschaftsdauer; Anm. d. Red.) und die Kenntnis der Anzahl der Embryonen oder Feten“. Weist das Testergebnis auf eine Trisomie hin, muss der Befund die Information enthalten, dass eine gesicherte Diagnose einer invasiven Abklärungsdiagnostik bedarf [23].
  •  

  • Laut Herstellerbeschreibung kann der NIPT ab der zehnten SSW eingesetzt werden, wird aber von Fachgesellschaften wie der DEGUM nicht vor der 12. SSW empfohlen [24].
  •  

Argumente aus Stellungnahmen zu NIPT als Kassenleistung

     

  • In den folgenden Absätzen sind Argumente aus verschiedenen Stellungnahmen im Vorfeld des G-BA-Beschlusses vom 19. September 2019 zusammengetragen; eingeflossen sind [9], [10] und [17-21].
    • durch NIPT entstehen keine Therapiemöglichkeiten, einzige Handlungsalternative zur Geburt des Kindes ist Schwangerschaftsabbruch
    • Definition von Risikoschwangerschaft ist unklar; Es sollten zur Verfügung stehende, evidenzbasierte Parameter zur Risikobestimmung eingesetzt werden, die das Risikokollektiv verkleinern
    • NIPT sollte nur nach genetischer Beratung nach Gendiagnostikgesetz erfolgen
    • NIPT sollte nur nach klarer Indikation aus Ultraschallfeindiagnostik erfolgen, um auch Hinweise auf andere Chromosomenstörungen zu finden
    • NIPT sollte als Screeningtest wie ETS gehandhabt werden
    • NIPT hat hohes Diskriminierungspotenzial; Kassenfinanzierung könnte suggerieren, dass Trisomie sozial nicht erwünscht ist
    • ETS muss bisher finanziell selbst getragen werden, das benachteiligt Paare mit geringem Einkommen; NIPT als Kassenleistung könnte das ändern, denn Kinder mit genetischen Erkrankungen sollten nicht vorrangig bei Familien mit geringen Ressourcen aufwachsen
    • NIPT sollte keiner Frau vorenthalten werden, weil keine Risiken durch die Untersuchungen bestehen
  •  

Literaturstellen, die zitiert wurden

[1] Fisch H (2003). The Influence of Paternal Age on Down Syndrome. The Journal of Urology. 169. 2275-8. DOI: 10.1097/01.ju.0000067958.36077.d8.

[2] European Commission, EUROCAT: Prevalance charts and tables: https://eu-rd-platform.jrc.ec.europa.eu/eurocat/eurocat-data/prevalence

[3] Nicolaides KH et al. (2004): Die Ultraschalluntersuchung von 11–13+6 Schwangerschaftswochen. Fetal Medicine Foundation.

[4] Gemeinsamer Bundesausschuss (2019): Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung („Mutterschafts-Richtlinien“). 28.03.2019.

[5] DESTATIS: Lebendgeborene: Deutschland, Jahre, Alter der Mutter, Lebendgeburtenfolge 2017.

[6] Kagan KO et al. (2017): Principles of first trimester screening in the age of non-invasive prenatal diagnosis: screening for chromosomal abnormalities. Arch Gynecol Obstset.; 296: 645-651. DOI: 10.1007/s00404-017-4459-9.

[7] Hestand MS et al. (2018): Fetal fraction evaluation in non-invasive prenatal screening (NIPS). Eur J Hum Genet. 27(2): 198-202. DOI: 10.1038/s41431-018-0271-7.

[8] GfH (2014): Newsletter der Deutschen Fachgesellschaft für Humangenetik e.V.

[9] Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (2018): Stellungnahme der DGGG zum Projekt  S16-06  Nicht-invasive  Pränataldiagnostik  zur  Bestimmung  des  Risikos autosomaler Trisomien 13, 18 und 21 bei Risikoschwangerschaften.

[10] Deutscher Bundestag (2019): Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung: Aktueller Stand und Entwicklungen der Pränataldiagnostik. Drucksache 19/9059

[11] Crombag N et al. (2014): Explaining variation in Down's syndrome screening uptake: comparing the Netherlands with England and Denmark using documentary analysis and expert stakeholder interviews. In: BMC Health Services Research 14, S. 437–448. DOI: 10.1186/1472-6963-14-437

[12] Lou S et al. 2018: National screening guidlines and developments in prenatal diagnoses and live births of Down sydrome in 1973-2016 in Denmark. Acta Obstetricia et Gynecologica Scandinavica 97 (2): 195-203. DOI: 10.1111/aogs.13273

[13] Oepkes D et al (2016): Trial by Dutch laboratories for evaluation of non-invasive prenatal testing. Part I-clinical impact. Prenatal Diagnosis, 36(12): 1083–1090. DOI: 10.1002/pd.4945.

[14] IQWiG (2017): Nicht-Invasive Pränataldiagnistik zur Bestimmung des Risikos autosomaler Trisomien 13, 18, 21 bei Risikoschwangerschaften. Abschlussbericht.

[15] Institute for Health and Care Research (2014): TRIDENT study: Trial by Dutch laboratories for Evaluation of Non-Invasive Prenatal Testing (NIPT).

[16] Gemeinsamer Bundesausschuss (2019): Beschluss über die Einleitung des Stellungnahmeverfahrens.

[17] Arbeitskreis Frauengesundheit (2019): Zulassung der nicht-invasiven Pränataltests (NIPT) als GKV-Leistung für Risikoschwangere; Stellungnahme zum Aufruf des G-BA.

[18] Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik (2019): Argumentationspapier gegen NIPT als Kassenleistung.

[19] donum vitae und BVNP (2019): Gemeinsame Stellungnahme zum Bewertungsverfahren des G-BA: NIPT als Krankenversicherungsleistung.

[20] Deutscher Hebammenverband (2019): Stellungnahme zur Einführung nicht-invasiver Pränataltests als Kassenleistung.

[21] pro familia Nordrhein-Westfalen (2018): Zulassung des Nicht invasiven Pränataltests (NIPT) als GKV Leistung für Risikoschwangere.

[22] Gemeinsamer Bundesausschuss (2021): Bluttest auf Trisomien – Der nicht invasive Pränataltest (NIPT) auf Trisomie 13, 18 und 21. Versicherteninformation.

[23] Gemeinsamer Bundesausschuss (2019): Beschluss über eine Änderung der Mutterschafts-Richtlinien (Mu-RL): Nicht-invasive Pränataldiagnostik zur Bestimmung des Risikos autosomaler Trisomien 13, 18 und 21 mittels eines molekulargenetischen Tests (NIPT) für die Anwendung bei Schwangerschaften mit besonderen Risiken.

[24] Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (17.02.2020): 10 goldene Regeln für die Durchführung eines NIPT-Tests.

Weitere Recherchequellen

Kostenko E et al. (2019): Clinical and Economic impact of adopting Noninvasive Prenatal Testing as a primary screening method for fetal aneuploidies in the general pregnancy population. Fetal Diagn Ther. 45(6):413-423. DOI: 10.1159/000491750.

Badeau M et al. (2017): Genomics-based non-invasive prenatal testing for detection of fetal chromosomal aneuploidy in pregnant women. Cochrane Database of Systematic Reviews; 11. Art. No.: CD011767.DOI: 10.1002/14651858.CD011767.pub2.

Änderungsprotokoll

Science Media Center (2019): Nicht-invasiver Pränataltest (NIPT) als Kassenleistung?. Fact Sheet. Stand: 18.09.2019.

Science Media Center (2021): Nicht-invasiver Pränataltest (NIPT) als Kassenleistung. Fact Sheet. Stand: 19.08.2021.