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27.06.2023

Wie gelingt der klimaresiliente Umbau der Wälder?

     

  • Wälder in Deutschland seit 2018 massiv durch Trockenheit und Borkenkäfer geschädigt, zudem stetig steigende Waldbrandgefahr
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  • Anpassung an den Klimawandel braucht langfristige Strategien, Nutzwälder zur Holzproduktion in Monokultur schon heute extrem anfällig
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  • Fachleute erklären, warum Hilfe für die Wälder in Akutsituationen fast unmöglich ist und welche Strategien langfristig helfen könnten
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  • Prof. Hartmann und Prof. Goldammer ergänzen Aussagen aus 2022, Prof. Ammer mit leichten Anpassungen, Dr. Lindner und Prof. Hafner bestätigen Gültigkeit ihrer Aussagen
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Die Wälder in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben große Schäden aus den vergangenen Dürrejahren davongetragen. Eine Erhebung des Deutschen Forstwirtschaftsrats beziffert die Schäden an deutschen Wäldern von 2018 bis 2020 auf 12,7 Milliarden Euro [I]. Damit die Wälder den zunehmend trockeneren Sommern besser standhalten können, möchte die deutsche Bundesregierung einen Umbau der Wälder in Gang bringen. Gleichzeitig will die Regierung stärker auf Holz als nachwachsendes Baumaterial setzen. Der Wald und seine Bewirtschaftung muss und wird sich also verändern.

In Deutschland gingen durch die Dürre von 2018 bis 2020 rund 400.000 Hektar Wald verloren – etwa drei Prozent der gesamten Waldfläche [II]. Ein ausschlaggebender Grund dafür war der Borkenkäfer, der vor allem Fichtenbeständen zugesetzt hat, welche sich durch die Dürre nicht mehr gegen den Schädling zur Wehr setzen konnten. Fichten wurden vielerorts großflächig in Monokulturen angepflanzt, da sie vergleichsweise schnell wachsen und sich somit gut als Holzlieferanten eignen. Die Fichte ist eine flachwurzelnde Baumart, die in kälteren Regionen wie Skandinavien natürlich vorkommt und nicht gut an Trockenheit angepasst ist. Doch auch bei uns heimische Baumarten wie die Kiefer, Buche und Eiche haben durch die Dürre Schäden erlitten. Laut der Waldzustandserhebung aus 2022 ist nur etwa ein Fünftel der Bäume in deutschen Wäldern nicht durch Dürre geschädigt [II]. Die Oberböden, aus denen landwirtschaftliche Nutzpflanzen Wasser ziehen, konnten sich im feuchteren Jahr 2021 erholen [III]. Tiefere Bodenschichten, in denen Bäume wurzeln, sind dagegen noch deutlich von der Dürre der vorangegangenen Jahre gezeichnet und bräuchten mehrere feuchte Jahre in Folge – welche jedoch mit dem Klimawandel immer seltener werden.

Der Wald der Zukunft soll einerseits möglichst viel Kohlendioxid aus der Atmosphäre ziehen, Wasser speichern und Biodiversität schützen und andererseits viel Holz als nachwachsende Ressource für den Bau und die Bioökonomie liefern. Gleichzeitig muss er häufigeren und intensiveren Dürren trotzen. Wie können diese Ansprüche unter einen Hut gebracht werden? Wie kann und sollte der Wald klimaresilient umgebaut werden? Zu diesen umstrittenen Fragen liefern im Folgenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Einschätzung. 

(Aktualisierung, Stand 08.08.2022): In den vergangenen Wochen kam es zu großflächigen Waldbränden in Sachsen und Brandenburg, begünstigt durch den trockenen und heißen Sommer 2022. Daraus ergibt sich ein weiterer Anspruch an den Wald der Zukunft: Er soll auch in durch den Klimawandel veränderten Wetterverhältnissen resilient gegenüber Bränden sein. Welche Merkmale und Formen der Bewirtschaftung einen Wald besonders feuerresilient machen, ist in der Forschung umstritten. Wir haben darum die Aussendung um den Aspekt der Waldbrandgefahr (Frage 6) ergänzt.

Die Statements sind erstmalig am 27.05.2022 verschickt worden und wurden nun aktualisiert. Die Version von 2022 ist weiterhin hier verfügbar.

Die Redaktion des SMC hat der Expertin und den Experten folgende Fragen gestellt:

1. Inwiefern können die Wälder in Deutschland, Österreich und der Schweiz weitere Dürrejahre überstehen? Wie können bei einer weiteren Dürre die Folgen für die Wälder akut vor Ort abgemildert werden? Gibt es Regionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, in denen die aktuellen Wälder nicht mehr zu retten sind?

2. Welche Baumarten sind von der Dürre besonders betroffen und warum? Welche Eigenschaften tragen dazu bei, dass eine Baumart mehr oder weniger dürreresistent ist?

3. Welche Strategien gibt es, um den Wald in Deutschland, Österreich und der Schweiz klimaresilient umzubauen? Was sind die Vorteile und welche Risiken bergen sie jeweils? Inwiefern braucht es regional verschiedene Strategien?

4. Wie wirken sich Dürren auf die Fähigkeit von Bäumen und Wäldern aus, Kohlenstoff zu speichern und auf ihre Rolle als Rohstofflieferanten?

5. Für den Klimaschutz soll Holz stärker als Baumaterial genutzt werden – müssen dementsprechend Wälder intensiver bewirtschaftet werden? Steht die Bewirtschaftung des Waldes in Konkurrenz zu seiner Rolle als Kohlenstoffsenke, Wasserspeicher und für die Biodiversität?

6. Wie können die Wälder in Deutschland, Österreich und der Schweiz umgebaut werden, sodass sie resilienter gegenüber Waldbränden sind?

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Christian Ammer, Inhaber des Lehrstuhls für Waldbau und Waldökologie der gemäßigten Zonen, Georg-August-Universität Göttingen
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  • Dr. Marcus Lindner, Leitender Wissenschaftler im Forschungsbereich Resilienz, European Forest Institute (EFI), Bonn
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  • Prof. Dr. Henrik Hartmann, Leiter des Instituts für Waldschutz, Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Quedlinburg
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  • Prof. Dr. Annette Hafner, Professorin für Ressourceneffizientes Bauen, Ruhr-Universität Bochum
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  • Prof. Dr. Johann Georg Goldammer, Leiter der Arbeitsgruppe Feuerökologie und des Global Fire Monitoring Center (GFCM), Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz und Universität Freiburg 
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Statements

Die folgenden Statements sind bewusst mit Blick auf langfristige Verwendbarkeit eingeholt und können auch in Zukunft zu diesem Thema Hintergrundinformationen bieten und zitiert werden.

1. Inwiefern können die Wälder in Deutschland, Österreich und der Schweiz weitere Dürrejahre überstehen? Wie können bei einer weiteren Dürre die Folgen für die Wälder akut vor Ort abgemildert werden? Gibt es Regionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, in denen die aktuellen Wälder nicht mehr zu retten sind?


Prof. Dr. Christian Ammer

„Allgemeingültige Aussagen sind deshalb schwierig, weil sich Wälder in ihrer Empfindlichkeit gegenüber Trockenheit unterscheiden und das Ausmaß von Waldverlusten zudem davon abhängt, ob Dürreereignisse in enger Folge auftreten oder ob für die Bäume Zeiten der Erholung möglich sind. Vermutlich ist eher mit temporären als mit dauerhaften Waldverlusten zu rechnen. Das heißt, es werden bestimmte Wälder verschwinden, aber das bedeutet nicht, dass es eine neue Waldgeneration nicht schaffen würde zu überleben. Die Wälder werden lediglich anders zusammengesetzt sein und anders aussehen.”

„Theoretisch könnte man die Folgen für die Wälder durch Bewässerung abmildern, aber angesichts des riesigen betroffenen Flächenumfangs und der damit verbundenen logistischen Probleme sowie der zunehmenden Konkurrenz um Wasser ist das keine realistische Option. Je nach Waldtyp und Alter des Bestandes kann eine gewisse Absenkung der Baumdichte für Entlastung sorgen, da mehr Niederschlagswasser den Boden erreicht und alle Bäume zusammen weniger Wasser verbrauchen. Letztlich behandelt man damit aber nur Symptome – viel wichtiger ist es, die Ursachen des Klimawandels anzugehen. Das bedeutet unter anderem, dass sich unser gesamtes Konsum- und Mobilitätsverhalten ändern muss.“

Dr. Marcus Lindner

„Die beiden vergangenen Jahre (2020 und 2021; Anm. d. Red.) waren regional recht unterschiedlich. In einigen Regionen hat sich der Wasserhaushalt der Waldböden deutlich verbessert. Viele Baumarten konnten sich vom Trockenstress der Jahre 2018 bis 2020 erholen. Dennoch sind viele Bäume noch immer geschwächt und je nach Intensität von erneuten Dürren ist auch wieder mit Vitalitätsverlusten zu rechnen.“

„Borkenkäferpopulationen sind weiterhin groß, so dass bei erneutem Dürrestress und hohen Temperaturen wieder mit Borkenkäferschäden an der Fichte zu rechnen ist. Allerdings sind in vielen Regionen in den tieferen bis mittleren Lagen bereits fast alle Fichtenbestände abgestorben. Dort sind dann keine neuen Schäden zu erwarten. Viel kritischer ist auf diesen Flächen die Wiederbewaldung und die Frage, ob die lokale Naturverjüngung (Naturverjüngung ist die natürliche Reproduktion von Bäumen in einem Bestand; Anm. d. Red.) beziehungsweise das Pflanzmaterial auf den potenziell sehr heißen Offenflächen überleben können. Eigentlich erwarten wir, dass sich alle Wälder in Deutschland, Österreich und der Schweiz wieder regenerieren können. Aber sensitive Baumarten und frisch gepflanzte Jungpflanzen könnten vermehrt ausfallen, wenn es wieder sehr heiß und trocken wird.“

Prof. Dr. Henrik Hartmann

„Wälder werden in Deutschland, Österreich und der Schweiz auch weitere Dürreereignisse überstehen, aber sie werden sich verändern müssen. Die derzeitigen Baumarten kommen an ihre Grenzen, vor allem da die Klimaerwärmung weiter voranschreitet. Der Wald stirbt nicht, aber einige unserer gewohnten Baumarten sind durch Klimaextreme bedroht.“

„Welche Arten unter zukünftigen klimatischen Verhältnissen in dieser Region bestehen können, ist derzeit unklar. Zum einen, da die Verteilung, Schwere und Häufigkeit von zukünftigen Extremereignissen nicht vorhersehbar sind, zum anderen, weil physiologische Schwellenwerte, die zum Absterben von Bäumen führen, für die meisten Arten bisher nicht bekannt sind.“

„Akut lassen sich die Folgen von Dürre im Wald nur sehr schwierig abmildern – man kann den Wald ja nicht gießen. Aber präventive Maßnahmen, wie der Rückbau von Entwässerungssystemen und die Regulierung von Bestandsdichten, können das Ausmaß von Dürre zumindest minimieren. Zudem sollte versucht werden, möglichst viele Baumarten in den Beständen zu halten – hiermit kann man das Risiko streuen, zumindest kurz- und mittelfristig.“

„In einigen Regionen in der Schweiz – zum Beispiel im Wallis – und in Deutschland – Ostdeutschland, Südwestdeutschland und Oberfranken – gibt es schon seit mehreren Jahren ein flächiges Absterben von Bäumen. Aufgrund der tiefgründigen Austrocknung der Böden, gerade in Ostdeutschland, können dort dann auch dürre-resistente Arten – wie die tiefwurzelnde Kiefer – an Wassermangel leiden und absterben.“

„Seit 2018 tun sich aber auch Baumarten sehr schwer, die bis vor ein paar Jahren als klimaresilient galten. Neben der Buche – und gerade bei ihr vor allem die großen und alten Individuen – zeigen sich bei der Eiche Vitalitätsverluste. Zudem fallen Esche und Ahorn verstärkt Krankheiten zum Opfer, indirekt auch eine Folge des Klimawandels, der durch Stress Bäume anfälliger macht. “

2. Welche Baumarten sind von der Dürre besonders betroffen und warum? Welche Eigenschaften tragen dazu bei, dass eine Baumart mehr oder weniger dürreresistent ist?


Prof. Dr. Christian Ammer

„Von Dürren sind zwei Typen von Baumarten betroffen. Zum einen diejenigen, die durch langanhaltende Trockenheit geschwächt und dadurch von Organismen befallen werden und deren Attacken nichts mehr entgegensetzen können. Meistens vermehren sich die betreffenden Organismen angesichts dieser Situation rasend schnell und erhöhen damit den Druck. Im Falle der Fichte haben so zwei an die Fichte angepasste Borkenkäferarten großflächig Bestände zum Absterben gebracht.“

„Der zweite Typ zeichnet sich dadurch aus, dass die betreffenden Arten ihren Wasserverbrauch erst sehr spät regulieren und so bei langanhaltender Trockenheit zunehmend dem Risiko von Embolien – also dem Abreißen des vom Boden bis in die Krone reichenden Wasserfadens – ausgesetzt sind. Baumarten, die vergleichsweise tolerant gegenüber Trockenstress sind, haben ein tief reichendes Wurzelsystem, das auch schnell weiter ausgebaut werden kann und können ihren Wasserverbrauch rasch drosseln. Dazu schließen sie die Spaltöffnungen in den Blättern, durch die sie Wasser verlieren, gleichzeitig aber Kohlendioxid aufnehmen – was dann natürlich nur noch eingeschränkt möglich ist.“

Dr. Marcus Lindner

„Unterschiedliche Baumarten sind mehr oder weniger dürreempfindlich. Fichten kommen natürlich nur in höheren Bergregionen vor und werden in warmen Lagen regelmäßig von Borkenkäfern befallen. Nadelhölzer reagieren anders auf Trockenphasen als viele Laubhölzer und waren daher stärker vom Trockenstress im Jahr 2018 betroffen [1].“

„Verschiedene Baumarten unterscheiden sich beispielsweise in der Durchwurzelung der Böden. Während Fichten und Buchen insbesondere auf wechselfeuchten Standorten ihre Wurzeln relativ flach im Oberboden ausbilden, können Eichen und auch Kiefern in tiefere Bodenschichten wurzeln und dort in Trockenphasen zusätzliche Feuchtigkeit erschließen.“

Prof. Dr. Henrik Hartmann

„Alle Baumarten sind von Dürre betroffen, mehr oder weniger stark. Durch Dürre bedingter Wassermangel führt zu Einbrüchen von Fotosyntheseraten und kann im Leitsystem der Bäume zu Schädigungen (Embolien) führen. Wenn mit Dürre und Hitze andere Faktoren einhergehen – wie Schädlinge oder Krankheiten – kann die dürrebedingte physiologische Schwächung zu verstärktem Schädlingsbefall, ausgeprägten Krankheitssymptomen und schließlich zum Absterben führen.“

„Physiologische, anatomische und/oder morphologische Eigenschaften von Baumarten – wie ein flaches Wurzelwerk, ein empfindliches Wasserleitsystem, hohe Transpirationsraten oder große Baumhöhen – tragen zur Dürreempfindlichkeit bei. Manche Arten sind besonders anfällig – wie die Fichte und die Birke. Oft sind diese in ihrer natürlichen Verbreitung in weniger dürregefährdeten Standorten zu finden.“   „Unser Kenntnisstand ist nicht gut genug, um deutliche Aussagen darüber zu machen, welche Baumarten besonders dürretolerant sind. Wir haben durch die jüngsten Dürrejahre viel dazugelernt. Jede physiologische Eigenschaft kann zur Sollbruchstelle werden – mal kann es das Wurzelwerk sein, mal der Wassertransport zur Krone, mal die Abwehr von Fressfeinden. Bei welchen Bedingungen welche Schwachstelle am empfindlichsten ist, können wir derzeit nicht verlässlich vorhersagen. Hier einige Beispiele:

     

  • „Bis 2018 ging man davon aus, dass die Buche ihr Blattwerk abwerfen kann, um die Verdunstungsfläche zu reduzieren. Bei Extremereignissen wie 2018 konnte man aber beobachten, dass Buchen nach dem Blattwurf starben. Untersuchungen haben ergeben, dass die Blätter dann erst fielen, als das Leitgewebe schon geschädigt war. Also ist diese bisher angenommene Schutzfunktion bei starker Dürre nicht mehr wirksam.“
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  • „Die tiefwurzelnde Kiefer kann bei Dürre aus tieferen Schichten im Boden Wasser fördern. Die beständige Austrocknung der Böden – etwa in Ostdeutschland – hat aber dazu geführt, dass gerade tiefe Bodenschichten sehr trocken geworden sind. Nun geht die Strategie der Kiefer, den tiefen Wasserspeicher anzuzapfen, nicht mehr auf: Die Kiefer stirbt, da die Umweltbedingungen ihre Strategie nutzlos gemacht haben.“
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  • „Mittlerweile ist auch die Eiche, der es bisher recht gut ging, in vielen Regionen von starkem Vitalitätsverlust gezeichnet. Es handelt sich dabei um eine Komplexkrankheit, die durch viele Faktoren bestimmt wird, aber deren Kausalitäts-Beziehungen noch nicht gut untersucht und noch weniger gut verstanden sind.“
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  • „Die Rußrindenkrankheit beim Ahorn hat an Ausbreitung und Aggressivität zugenommen, sicherlich auch verstärkt durch wachsenden physiologischen Stress infolge der extremen Sommer in den vergangenen Jahren“
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3. Welche Strategien gibt es, um den Wald in Deutschland, Österreich und der Schweiz klimaresilient umzubauen? Was sind die Vorteile und welche Risiken bergen sie jeweils? Inwiefern braucht es regional verschiedene Strategien?


Prof. Dr. Christian Ammer

„Eine allgemeine Empfehlung lautet, dass gemischt aufgebaute Wälder weniger empfindlich sind als Bestände aus nur einer Art. Letztere kommen im Falle der Buche durchaus auch natürlich vor. Je stärker sich die Baumarten eines gemischten Waldbestandes in ihren funktionalen und hydraulischen Eigenschaften unterscheiden – in der Zeit, zu der sie das Wasser am meisten brauchen, in ihrer Fähigkeit, Wasser aus tieferen Bodenschichten zu holen und ihren Wasserverbrauch flexibel anzupassen und so weiter – umso eher kommt es dabei zu komplementärer Wassernutzung. Diese wirkt sich günstig auf die Widerstandskraft des Gesamtsystems aus. Das bedeutet aber auch, dass nicht jede Mischung dieselbe Wirkung entfaltet. Zudem müssen die vom jeweils vorherrschenden Boden geprägten Standorteigenschaften beachtet werden, da nicht alle Baumarten auf allen Böden gedeihen. Daraus ergibt sich, dass auch beim Arbeiten mit Mischungen keine pauschalen Lösungen parat stehen, sondern die lokal anzutreffenden Bedingungen zu beachten sind.“

„Insbesondere bei Flächen, die großflächig abgestorben sind, wird heftig diskutiert, inwieweit durch Nichtstun klimastabile Wälder entstehen würden. Während es unbestritten ist, dass sich dort auf lange Sicht wieder Wald bilden wird, muss im Einzelfall geklärt werden, ob es angesichts der Ausgangssituation wahrscheinlich ist, dass sich in absehbarer Zeit wirklich die Baumarten einfinden, die mit dem künftigen Klima zurechtkommen. Das kann bei kleineren Flächen und vor allem dann gelingen, wenn ausreichend Bäume von trockenheitstoleranten Baumarten am Rande des zerstörten Bestandes vorhanden oder auf der Fläche verblieben sind, von denen in nennenswertem Umfang eine sogenannte Naturverjüngung zu erwarten ist (Naturverjüngung ist die natürliche Reproduktion von Bäumen in einem Bestand; Anm. d. Red.). Ist das nicht der Fall, ist es häufig so, dass wieder nur die Baumart auf der Fläche nachkommt, die dort vorher bereits vorhanden war, da sie es in der Regel geschafft hat, sich vor ihrem Ausscheiden natürlich zu verjüngen. Das ist besonders häufig bei der Fichte zu beobachten – einer Art, die als junger Baum Trockenheit durchaus aushält und die Schadflächen daher wieder besiedeln kann, als alter Baum aber leicht vom Borkenkäfer befallen wird, womit das Ganze von vorne beginnt.”

„In diesen Fällen ist es daher sinnvoll, aktiv Baumarten zu pflanzen, von denen man annimmt, dass sie mit wärmerem Klima und deutlich trockeneren Sommern besser zurechtkommen. Dies können einheimische Arten sein – wie Eichen oder Kiefern –, oder auch solche aus anderen Teilen der Erde, in denen das gegenwärtige Klima dem bei uns erwarteten ähnelt – beispielsweise Zedern oder Douglasien. Bevor man diese Arten jedoch großflächig ausbringt, sollte man sich genau mit ihren Eigenschaften und ihren Wirkungen auf die gesamte Lebensgemeinschaft im Wald befassen.”

Dr. Marcus Lindner

„Priorität sollte auf der Erhöhung der Resilienz durch Anlage und Förderung von Mischbeständen liegen. Die Strategien müssen regional angepasst werden, da die Standortsverhältnisse, die Eignung von Baumarten für den Anbau und Störungsrisiken regional stark variieren. Ganz wichtig ist die Verringerung der Schalenwildbestände, da wir fast überall zu hohe Wildbestände haben. Hirsche und Rehe fressen mit Vorliebe das Laub der beigemischten selteneren Baumarten und können großflächig aus resilienten Mischbestockungen wieder riskante Reinbestockungen machen.“

Prof. Dr. Henrik Hartmann

„Die Wahl von Baumarten und die damit einhergehende Arten- und Strukturvielfältigkeit von Beständen können die Klimaresilienz von Wäldern verbessern – zumindest in einem gewissen Rahmen. Um Wälder auf häufiger auftretende Dürren vorzubereiten, können bestehende Bestände mit dürre-resistenter Verjüngung heimischer Arten aus südlicheren Regionen oder Gebieten mit kontinentalem Klima angereichert werden. Diese Art von beschleunigter Anpassung birgt sicherlich weniger Risiken als die Verwendung nicht-heimischer Baumarten, die für die heimische Fauna und Flora zunächst fremd sind. Nicht-heimische Baumarten und Bestände müssten somit von Flora und Fauna neu entdeckt werden und Habitate begründet werden. Zudem können einige nicht-heimische Baumarten auch aggressiv invasiv werden und bestehende Bestände – unter Umständen sogar dürre-tolerante Bestände heimischer Baumarten – in ihrem Fortbestand gefährden.“

„Die Verwendung heimischer Baumarten anderer Herkünfte birgt aber auch Unsicherheiten. In Anbetracht des voranschreitenden Klimawandels ist diese Option ein Wettlauf gegen die Zeit. Hier steht die Frage im Raum, ob sich diese Herkünfte im rasch veränderlichen Klima etablieren und überleben können.“

„Regional angepasste Strategien haben den Vorteil, dass sie auf die spezifische Situation im jeweiligen Gebiet eingehen können. Dabei geht es nicht nur um waldbauliche Aspekte, sondern auch um die Wertschöpfung der Dienstleistungen des Waldes, wie infrastrukturelle Maßnahmen für die Weiterverarbeitung von Holz oder regional typische Aktivitäten wie Naherholung oder Sport. Durch diese Regionalisierung wird die gesellschaftliche Akzeptanz der zu ergreifenden Maßnahmen gestärkt, und setzt somit die Grundvoraussetzung für einen nachhaltigen Waldumbau.“

4. Wie wirken sich Dürren auf die Fähigkeit von Bäumen und Wäldern aus, Kohlenstoff zu speichern und auf ihre Rolle als Rohstofflieferanten?


Prof. Dr. Christian Ammer

„Dürrephasen veranlassen die Bäume, ihren Wasserverbrauch einzuschränken, indem sie die Spaltöffnungen der Blätter schließen. Dies bedeutet jedoch auch, dass viel weniger Kohlendioxid ins Blattinnere eindringen und dort zu Zucker und letztlich zu Holz weiterverarbeitet werden kann. Auch wenn der Baum nicht stirbt, nimmt damit sein Kohlenstoffspeichervermögen deutlich ab. Da dieser Vorgang bei allen Bäumen eines Bestandes einsetzt, kommt es bei Trockenheit zu einer geringeren Kohlenstoffspeicherleistung von Wäldern. Noch problematischer für die Klimaschutzwirkung von Wäldern durch Kohlenstoffspeicherung ist es, wenn Bestände absterben. In diesen Fällen kann sogar eine Kohlenstofffreisetzung beobachtet werden, weil die fehlende Beschattung zu einer Zersetzung der Streu führt.“

Dr. Marcus Lindner

„In Dürrejahren wird weniger Kohlenstoff gebunden und eine erhöhte Mortalität der Bäume führt zur Freisetzung von Kohlenstoff – entweder über ein paar Jahre im Falle der natürlichen Zersetzung im Bestand oder kurzfristig, wenn das Schadholz entnommen wird. In letzterem Fall ist die Kohlenstoffspeicherung von der Produktnutzung abhängig: Bei energetischer Nutzung kommt es sehr schnell zu Emissionen, wohingegen in langlebigen Produkten auch der Kohlenstoff im Holz erhalten bleibt.“

„Das Wachstum und somit auch die Rohstoffproduktion fluktuieren von Jahr zu Jahr. Mäßige Erwärmung und ansteigende CO2-Gehalte sowie Stickstoffdeposition durch die Luft haben in der Vergangenheit das Wachstum der Wälder in Europa gefördert. Trockenstress und Störungen unterbrechen nun diese produktiven Phasen und regional kann dann die Bilanz unterschiedlich aussehen. In den höheren Lagen und im Norden überwiegt der positive Effekt, in tieferen Lagen kann es vermehrt zu Wachstumseinbrüchen und Mortalität kommen.“

Prof. Dr. Henrik Hartmann

„Dürre führt zunächst zu einer verringerten Kohlenstoffaufnahme, da Bäume – wie alle Gefäßpflanzen – bei Dürre die Spaltöffnungen der Blätter schließen. Durch diese Öffnungen gelangt auch CO2 in das Blatt, bei Dürre in verlangsamter Rate. Dürre führt zudem zu reduziertem Wachstum von Pflanzen, da Wasser für die Bildung des Zellinnendruckes und somit für die Zellstreckung notwendig ist. Somit wird die Fähigkeit der Bäume, Kohlenstoff in Biomasse zu speichern, negativ beeinflusst.“

„Wälder speichern Kohlenstoff nicht nur in der lebendigen Biomasse der Bäume, sondern auch im Boden. Die durch Dürre hervorgerufene Reduzierung der Fotosynthese führt auch zu einem verringerten Eintrag von Kohlenstoff in die Böden und somit zu verringerter Kohlenstoffspeicherung. Erhöhte Temperaturen, die oft mit Dürre einhergehen, beschleunigen die Zellatmung von in Böden lebenden Mikroorganismen und führen somit zu einem verstärkten Abbau von dort gespeicherter toter Biomasse. Dieser Abbau verringert ebenfalls die Speichermenge des Kohlenstoffs in Waldökosystemen. Dürre kann natürlich auch zum Absterben von Bäumen führen, also zu Totholz, dessen Kohlenstoff durch Zersetzung – wenn auch langsam – wieder freigesetzt wird.“

„Die oben beschriebenen Effekte auf das Wachstum bewirken natürlich auch, dass weniger Holz produziert wird und somit weniger Holz nachhaltig aus den Beständen entnommen werden kann. Besonders problematisch jedoch sind flächige Absterbeereignisse, wie zum Beispiel durch Borkenkäferschäden bei der Fichte. Dabei fallen in kurzer Zeit große Holzmengen an, die eigentlich über die nächsten Jahrzehnte nach und nach hätten geerntet werden sollen. Es ergibt sich also eine Versorgungslücke, die sicherlich nicht leicht zu schließen sein wird.“

Prof. Dr. Annette Hafner

„Eine Einordnung der tatsächlichen CO₂-Bindungsleistung von Wald und Holz beziehungsweise deren Beitrag zu den biogenen CO2-Emissionen ist gemäß der fachlich korrekten und abgesicherten Vorgehensweise des Weltklimarates (IPCC) nach den Vorgaben der Klimarahmenkonvention UNFCCC zu ermitteln [3] [4] [5].”

„Eine vor allem durch die Dürren der letzten Jahre verursachte Abnahme des Zuwachses der Biomassevorräte und damit der bestehenden Senkenfunktion des Waldes zeigt sich bereits in den letzten Daten der Treibhausgas-Berichterstattung [6].“

5. Für den Klimaschutz soll Holz stärker als Baumaterial genutzt werden – müssen dementsprechend Wälder intensiver bewirtschaftet werden? Steht die Bewirtschaftung des Waldes in Konkurrenz zu seiner Rolle als Kohlenstoffsenke, Wasserspeicher und für die Biodiversität?


Prof. Dr. Christian Ammer

„Wälder stellen viele Ökosystemleistungen bereit, die nicht alle gleichzeitig maximiert werden können. Sinnvoll kombiniert widersprechen sich die Ziele Holzproduktion – mit dem Ziel, langfristig Kohlenstoff zu speichern und die erstmalige Freisetzung von fossilem Kohlenstoff (bei der Herstellung anderer Baustoffe; Anm. d. Red.) zu vermeiden –, Wasserspeicherung in Wäldern und Biodiversität aber nicht. In vielen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass bestimmte Artengruppen lichtere Waldstrukturen benötigen, während andere auf dunkle und geschlossene Wälder angewiesen sind. Mit Blick auf den Klimaschutz ist die Entnahme von Bäumen dann sinnvoll, wenn bei hoher im Wald befindlicher Biomasse einzelne Bäume geerntet werden und diese zu möglichst langlebigen Produkten verarbeitet und erst nach ihrer Nutzung thermisch verwertet werden. Flächige Entnahmen sollten hingegen unterbleiben. Am Rande: Problematisch sind Wasserentnahmen aus dem Wald zur Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen.“

Dr. Marcus Lindner

„Die unterschiedlichen Leistungen der Wälder unterliegen in der Tat gewissen Zielkonflikten. Maximale Holznutzung im Bauwesen – um den fossilen Fußabdruck der konkurrierenden Baustoffe wie Beton, Stahl und Aluminium durch Substitutionseffekte zu reduzieren – bedeutet, dass in den Wäldern weniger Holz stehen und sich natürlich zersetzen kann. Das reduziert die Kohlenstoffsenken der Wälder und schränkt die Flächenpotenziale für natürliche Waldentwicklung zum Biodiversitätsschutz ein.“

„Allerdings gibt es auch integrative Waldbewirtschaftungskonzepte, in denen die Nutz- und Schutzfunktion der Wälder zusammengeführt wird [2]. Die Nutzungsintensität der Wälder variiert regional. Ich denke, dass wir fast überall sowohl mehr Biodiversitätsschutz also auch Holznutzung für langlebige Bauprodukte erreichen können. Wichtig ist, dass wir die Klimaerwärmung durch schnelle Maßnahmen tatsächlich unter zwei Grad halten können, weil sonst die Anpassung der Wälder an den Klimawandel unverhältnismäßig schwieriger und die Klimaschutzwirkung des Waldes deutlich geringer ausfallen wird.“

Prof. Dr. Henrik Hartmann

„Wälder werden in Deutschland im Rahmen der multifunktionellen Bewirtschaftung eigentlich nachhaltig genutzt. Um allen Nutzungsansprüchen gerecht zu werden, können einzelne Dienstleistungen nicht optimiert werden, sondern sie müssen als Kompromiss verschiedener Zielsetzungen gestaltet werden. Eine stärkere Nutzung der Wälder für die klimaschützende Produktion von Baumaterial ist daher im Rahmen der multifunktionellen Nutzung eher schwierig.“

„Eine verstärkte Holzproduktion fördert die Rolle des Waldes als Kohlenstoffsenke, da die Entnahme von Biomasse und deren langfristige Verwendung als Baumaterial die Voraussetzungen für weitere Kohlenstoffspeicherung im Wald schafft. Dies widerspricht der häufigen Annahme, dass unberührte Altbestände effizienter für die Kohlenstoffspeicherung seien. Waldökosysteme haben standortspezifische Tragekapazitäten für Biomasse und können nicht unbegrenzt weiteren Kohlenstoff speichern. Eine regelmäßige Entnahme von Kohlenstoff in Form von Holz steigert somit langfristig die Speichermenge, auch wenn Altbestände unter Umständen temporär größere Mengen von Kohlenstoff speichern. Altbestände spielen aber für den Erhalt von Artenvielfalt eine große Rolle und sollten deshalb nicht einfach in eine intensive Holzproduktion überführt werden.“

„Eine Möglichkeit, die Holzproduktion im Sinne des Klimaschutzes zu steigern, ohne dabei andere Ökosystemdienstleistungen des Waldes zu beeinträchtigen, könnte durch eine örtliche Trennung verschiedener Nutzungsprioritäten erreicht werden. Dies bedeutet, dass die Holzproduktion auf dafür förderlichen Standorten intensiviert wird, auf anderen Standorten wiederum alternative Zielsetzungen – wie den Erhalt und die Förderung von Artenvielfalt, Wasser- und Luftreinhaltung oder Naherholung – priorisiert werden. Diese Möglichkeit setzt allerdings die Aufgabe der flächendeckenden Multifunktionalität des Waldes voraus, und hierfür ist ein gesellschaftlicher Konsens unbedingt notwendig.“

Prof. Dr. Annette Hafner

„Der Rohstoff Holz ist für den Bausektor im Sinne des Klimaschutzes aus mehreren Gründen relevant.“

„Bei der Verarbeitung des Rohholzes zu Bauteilen und Gebäuden fallen oftmals weniger Treibhausgas-Emissionen an als bei deren funktional äquivalenten Alternativen aus konventionellen Baustoffen. Diese Effekte können auf Basis der internationalen Normen des nachhaltigen Bauens auf Gebäudeebene quantifiziert werden. Um ein Beispiel zu nennen: bei einem neuen Mehrfamilienhaus können pro Quadratmeter Bruttogrundfläche im Schnitt 40 Prozent Treibhausgase bei der Erstellung des Gebäudes eingespart werden und das mit einer heute schon breit eingeführten Technologie – dem Holzbau. Deshalb ist der Zeitpunkt wichtig: Wir sollten jetzt aktuell mit Holz bauen.“

„Die Verwendung von Holz in Gebäuden – zum Beispiel in Tragwerken – trägt zur Verlängerung der biogenen Kohlenstoffspeicherung bei (siehe Frage 4). Auch dieser Effekt wurde methodisch gemäß den internationalen Vorgaben des Weltklimarats IPCC im Einklang mit den Normen des nachhaltigen Bauens für Deutschland abgeschätzt [7]. Ein gutes Beispiel ist der Prinz-Eugen-Park in München. Hier wurden fast 600 Wohnungen gebaut, zwei Drittel davon sind Sozialwohnungen und 12.000 Tonnen Kohlenstoff wurden in der Konstruktion gespeichert [8].“

„Wichtig ist aber eine ressourceneffiziente Verwendung des Holzes, das heißt, es müssen möglichst viele Gebäude mit dem eingesetzten Material erstellt werden. Vor allem die Sanierung und Nachverdichtung sollte unbedingt im Blick sein, da damit keine neue Fläche versiegelt und bebaut wird.“

„Im Sinne der Kreislaufwirtschaft sollte deshalb die langfristige, stoffliche Verwendung von Holz vor einer finalen thermischen Nutzung immer das primäre Ziel sein.“

„Der Waldumbau muss jetzt beginnen und dafür muss das Bauholz geerntet werden, das jetzt in die Ernte kommt. Dies macht dann sofort Platz für den Anbau neuer klimaangepasster Baumarten, die dann wieder neue Kohlenstoffspeicher aufbauen können. Also: aktuelle Holznutzung bedeutet gleichzeitig, den Waldumbau anzustoßen.“

„Die Vorräte der in die Ernte kommenden Bäume reicht nach Hochrechnungen der Bundeswaldinventur sicher bis zum Jahr 2045.Für den nachfolgenden Zeitraum sind weitere Entwicklungen für den Baubereich – unter anderem Nachfrage, Angebot und Anforderungen – noch gar nicht abzuschätzen.“

„Eine Rohstoffnutzung in langlebigen Produkten wie beim Holzbau ist deshalb kurzfristig eine sofort umsetzbare Technologie, welche die Klimaschutzziele laut dem Klimaschutzgesetz erreichbar macht und die Reduktionspotenziale nicht in die Zukunft verschiebt.“

„Nach 2045 werden andere Baumarten durch den Waldumbau in die Nutzung kommen. Auch die Technologien für die Rohstoffnutzung werden sich weiterentwickeln. Zudem könnten dann andere Baumaterialien unter Umständen ,grüner‘ – also mit weniger Energieaufwand – hergestellt werden, weshalb der Holzbau eine Brückentechnologie darstellt, die aktuell eingesetzt werden sollte. Die Zeiträume, in denen der Waldumbau gedacht werden muss, sind andere als die, die für die Baubranche und Rohstoffnutzung relevant sind.“

„Es lässt sich also aktuell durch die Nutzung von heimischem, nachhaltig bewirtschaftetem Holz im Bausektor ein Potenzial für den Waldbau generieren. Die beiden Ziele widersprechen einander nicht, wenn man die Zeithorizonte übereinanderlegt.“

6. Wie können die Wälder in Deutschland, Österreich und der Schweiz umgebaut werden, sodass sie resilienter gegenüber Waldbränden sind?


Dr. Marcus Lindner

„Resiliente Wälder sind grundsätzlich standortangepasste, gemischte Wälder, die idealerweise ein echtes Waldinnenklima besitzen und somit dunkler, feuchter, kühler und windstiller sind. Das können wir durch strukturfördernde, naturnahe Bewirtschaftung fördern. Idealerweise geschieht dies entsprechend den Prinzipien des Dauerwaldes (Konzept zur Waldbewirtschaftung, nach welchem der Wald als Organismus verstanden wird, welcher nicht durch Kahlschläge gestört werden soll; Anm. d. Red.) als Kompromissmodel zwischen Naturnähe und Holzernte. Dazu gehört ein intelligentes Wald-Wild-Management, waldtypischer Bodenbewuchs statt Gras und Heide sowie räumliche Totholzkonzepte. Das heißt, Totholz sollte im Bestand abseits der Wege gelassen werden, damit vermehrt Kohlenstoff und Wasser auf und im Boden gespeichert wird, was gleichzeitig fördernd für die Waldverjüngung ist. In Extremwetterlagen bleibt ein solcher Wald immer noch brennbar, aber die Feuerausbreitung ist dann schwieriger und der Wald regeneriert sich von allein.“

„Entlang Wegen, Bahnlinien und Siedlungen sind sogenannte Schutzzonen ratsam. Zum einen werden dort vermehrt Brände durch Fahrlässigkeit ausgelöst. Zum anderen ist es auch für die Brandbekämpfung hilfreich, wenn die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Feuers entlang der Wege reduziert wird. Dann kann die Feuerwehr dort besser Bekämpfungsmaßnahmen umsetzen. Solche Schutzzonen sind Wälder, in denen die Brandlast reduziert wird und die Art, Menge und Struktur des verfügbaren brennbaren Materials ,manipuliert‘ wird, sodass es weniger brennbar und daher besser beherrschbar ist. Vergraste Kiefernreinbestände entlang Wegen und Bahnlinien sind besonders riskant.“

„Aktuelle Waldbaukonzepte zielen auf Mischbestände mit erhöhtem Anteil trockenheitstoleranterer Laubbaumarten ab. Solche Mischbestände senken mittelfristig die Waldbrandgefahr. Eine weitere Maßnahme zur Förderung von Dürretoleranz in dichten Beständen ist die Durchforstung (das gezielte Fällen einzelner Bäume; Anm. d. Red.). Je nach Durchführung kann diese kurzfristig zur Erhöhung der Waldbrandgefahr führen – wenn schwaches Totholz insbesondere entlang der Wege im Bestand verbleibt – oder aber durch Entnahme brennbarer Biomasse die Feuerausbreitung mindern. Feuerfest und nicht-brennbar ist allerdings kein Wald. Wenn es lange genug trocken ist, wird alle Biomasse zu Brennmaterial. Trotzdem brennt es im naturnahen Wald weniger intensiv und die Regenerationsfähigkeit ist gegeben. Daher ist es wichtig, langfristig durch den Waldumbau resiliente Wälder zu entwickeln und dies kurzfristig durch technische Maßnahmen zum Waldbrandschutz wie beispielsweise Schneisen und Waldbrandriegel zu ergänzen. Unser Projekt ,Waldbrand Klima Resilienz‘ unter der Leitung von Alexander Held arbeitet zum Thema der Waldbrandprävention mit Demonstrationsflächen und Erstellung von Schulungsmaterial.“

Prof. Dr. Johann Georg Goldammer

„Der Umbau der Wälder in Hinblick auf Klimaresilienz und verschiedene Ziele der Waldbewirtschaftung birgt eine Reihe von Konflikten bezüglich der Anfälligkeit beziehungsweise der Resilienz der Wälder gegenüber Feuer. Grundsätzlich sind Wälder, die dem Prozessschutz unterliegen, beziehungsweise in Hinblick auf Erhöhung von Kohlenstoffbindung oder Biodiversität nicht intensiv bewirtschaftet werden, durch eine hohe Last von Totholz oder abgestorbener Vegetationselemente gekennzeichnet – im Folgenden (potenzielles) Brennmaterial genannt. Die Stärke – also der Durchmesser – und die Anordnung von Brennmaterial bestimmen das Verhalten und die Auswirkungen eines Feuers.“

„Ein Waldbrand beginnt mit einem Bodenfeuer, das primär durch feines Brennmaterial der Bodenvegetation (der Gras- und Krautschicht) und durch die Streuauflage (Nadel- und Blattstreu und feines Zweigmaterial) getragen wird und auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit bestimmt. Stärkeres Totholz, das bei langanhaltender Dürre ausgetrocknet ist und durch ein Bodenfeuer in Brand gesetzt wird, wird durch ein Bodenfeuer entzündet. Auf dem Waldboden liegendes, brennendes Totholz trägt aber nicht zur Ausbreitung des Bodenfeuers bei, sondern glüht nach dem Passieren des Feuers am Ort langsam aus. Gleichermaßen wie das tiefe Ausbrennen von starken Rohhumusauflagen, führt die längere Verweilzeit von Totholzfeuern zu hohen Temperaturen im Boden und an den Stammfüßen des stehenden Bestands. Dadurch wird das Eindringen des Feuers in die Stammfüße und in den Wurzelraum begünstigt.“

„Lebendes und abgestorbenes Brennmaterial, das zwischen dem Boden und dem Kronenraum in Form von Ästen, Zweigen und zusammengebrochenen Stämmen angeordnet ist, bildet ,Feuerbrücken‘ oder ,Feuerleitern‘, die den Übergang des Bodenfeuers in ein Kronenfeuer und damit ein ,Vollfeuer‘ ermöglichen. Diese Gefahr ist besonders hoch bei Nadelholzbeständen, die dem Prozessschutz unterliegen beziehungsweise mehrstufig aufgebaut sind. Stehengelassene und zusammengebrochene, abgestorbene Stämme mit abgestorbenen Ästen und lose hängender, abgestorbener Borke tragen zu Erhöhung der Intensität und Ausbreitungsgeschwindigkeit des Feuers vom Boden in den Kronenraum bei. Die Intensität oder ,Schwere‘ eines Vollfeuers und dessen Auswirkungen auf Einzelbäume und den Bestand werden daher durch die Menge und Anordnung des Brennmaterials zwischen Boden und Kronenraum bestimmt. In langanhaltenden Dürreperioden führen die genannten Strukturen dazu, dass die Brände die Entwicklung des Bestands zurücksetzen – im Sinne landläufiger, durchaus unterschiedlicher Doktrinen der Waldbewirtschaftung ein ,Totalverlust‘.“

„Das Postulat, durch Umwandlung von Nadelwald in Laubholzbestände das Waldbandrisiko zu vermindern, beruht auf der Annahme, dass Laubholzbestände weniger anfällig gegenüber Feuer sind. Dies wird auf Erfahrungen des Waldumbaus im bisherigen gemäßigten Klima zurückgeführt, die zeigten, dass Laubwälder – beziehungsweise durch Laubholzarten angereicherte Kiefernwälder – ein Mikroklima entwickelten, das durch Beschattung des Unterstands, Aufbau und Zusammensetzung der Humusschicht weniger anfällig für Brände war.“

„In den vergangenen Jahren wird zunehmend beobachtet, dass sich Laubwälder – vor allem Buchenwälder – durch den Ausfall ganzer Bäume und durch den trockenheitsbedingten Abwurf von Blättern und Ästen auflichten. Die Waldzustandserhebungen der Bundesrepublik Deutschland zwischen 2020 und 2022 [9] zeigen auf, dass 79 Prozent der Waldfläche Kronenverlichtung aufweisen – darunter 45 Prozent aller Buchenbestände mit deutlicher Kronenverlichtung. Dadurch dringt zunehmend Licht und Wind auf den Waldboden, der damit in eine höhere Brennbereitschaft gerät. Die Waldbrandstatistik der Bundesrepublik Deutschland [10] spiegelt dies wider, indem sie aufweist, dass im Jahr 2017 der Anteil der Laubholzbestände aller Besitzarten – außer Bundeswald – an der gesamten Brandfläche 84 Prozent betrug. In den Folgejahren beliefen sich diese Anteile auf 50 Prozent in 2018 und auf 35 Prozent in 2021. Alle anderen statistisch erfassten Flächen sind als Nadelholzbestände ausgewiesen. In Laubholzbeständen brennen vorwiegend Bodenfeuer, gegenüber denen die meisten Laubholzarten – darunter vor allem Buchen – in allen Altersklassen empfindlich sind. Ältere Eichenbestände sind resilient gegenüber Bodenfeuern. Kiefernreinbestände sind ab den mittleren Altersklassen dann resilient gegenüber Bodenfeuern, wenn die Brandlast der Bestände durch intensive Bewirtschaftung geringgehalten wird. Dies wird in vielen Ländern durch starke Durchforstung und Entzug der Biomasse zur Nutzung erneuerbarer Energie, Waldweide oder kontrolliertes Brennen erreicht [11].“

„Da der vielfach postulierte Umbau von Reinbeständen von Nadelholz – vor allem Kiefernbestände – in Mischwälder in Hinblick auf die Resilienz gegenüber Dürre und Feuer mit vielen Unsicherheiten behaftet ist und mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen würde, werden alternative Verfahren vorgeschlagen. Plantagenartig aufgeforstete und zunehmend mit Totholz belastete Kiefernwälder können wie natürliche, feuerresiliente Wälder umgebaut werden – beispielsweise wie die natürliche Kiefernwaldgesellschaften der sogenannten ,hellen Taiga‘ im zentralen Eurasien [12]. Über Jahrhunderte durch Blitzschlagfeuer beeinflusst, stellen diese sich als offene ,Lichtwälder‘ mit geringen Auflagen an Brennmaterial dar, in denen weitständig stockende Bäume einen solitären Charakter aufweisen und sich mit einer ausgeprägten Pfahlwurzel tiefer im Boden verankern. Dies führt zu einer höheren Standfestigkeit gegenüber Starkwinden, ermöglicht die Aufnahme von Wasser aus tieferen Bodenschichten und verringert die Konkurrenz um limitiertes Niederschlagswasser zwischen einzelnen Bäumen. Bei einer Pflanzung von Kiefern darf deren Wurzel aber nicht beschnitten werden. Diese weit verbreitet Praxis verhindert die Ausbildung einer Pfahlwurzel.“

„In größeren zusammenhängenden Waldflächen können derartige Bestände als Waldbrandschutzkorridore umgewandelt werden. Diese können – im Sinne der ‚räumlichen Ordnung‘ verschiedener Waldfunktionen – Nachbarbestände absichern, die anderen prioritären Waldfunktionen dienen, wie beispielsweise der Erhöhung von Biodiversität und Kohlenstoffspeicherung durch Belassen von Totholz [13] [14]. Der offene Lichtwaldcharakter und die geringen Auflagen an Brennmaterial erlauben es den Waldbesitzern und Feuerwehren, diese Korridore zu begehen beziehungsweise zu befahren und ein hier mit geringer Intensität brennendes Feuer unter Kontrolle zu bringen.“

„Die Waldbrände in der Sächsischen Schweiz (Sachsen) und im Harz (Sachsen-Anhalt) im Jahr 2022 haben gezeigt, dass die Schwere der Brände durch die Totholzlast die Bekämpfung erschwerte. Bei Bränden auf kampfmittelbelasteten Standorten bei Jüterbog (Brandenburg) und Lübtheen (Mecklenburg-Vorpommern) im Frühsommer 2023 wurden nach Aussagen von Einsatzleitungen und anderen Beobachtern eine vergleichsweide höhere Häufigkeit von Detonationen von Kampfmitteln berichtet. Dies ist auf die erwähnte längere Verweilzeit von Totholzfeuern zurückzuführen.“

„Am 17. April 2023 fand im Bundestag eine Öffentliche Anhörung durch den Ausschuss für Inneres und Heimat zum Thema ‚Nationale Kraftanstrengung für einen besseren Waldbrandschutz‘ statt. Ich habe dort als Leiter des Global Fire Monitoring Center (GFMC) und der Arbeitsgruppe Feuerökologie des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Universität Freiburg auf die vorhandene Expertise der Einrichtung und die Bereitschaft verwiesen, diese den Entscheidungsträgern in Bund und Ländern zur Verfügung zu stellen [15] [16].“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr- Christian Ammer: „Keine Interessenkonflikte.“

Prof. Dr. Annette Hafner: „Ich habe bei dem Thema keinerlei Interessenkonflikte.“

Prof. Dr. Henrik Hartmann: „Interessenkonflikte liegen keine vor.“

Prof. Dr. Johann Georg Goldammer: „Ich sehe keinen Interessenkonflikt.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die von den Fachleuten zitiert wurden

[1] Salomón RL et al. (2022): The 2018 European heatwave led to stem dehydration but not to consistent growth reductions in forests. Nature Communications. DOI: 10.1038/s41467-021-27579-9.

[2] Krumm F et al. (2020): How to balance forestry and biodiversity conservation? - A view across Europe. European Forest Institute. DOI: 10.16904/envidat.196.

[3] IPCC (2019): 2019 Refinement to the 2006 IPCC Guidelines for National Greenhouse Gas Inventories. Agriculture, Forestry and Other Land Use. Siehe Kapitel 4 zu Wald und Kapitel 12 zu Holz.

[4] Umweltbundesamt (2022): Treibhausgas-Emissionen - Nationale Inventarberichte. Webseite des UBA. Stand: 02.05.2022.

[5] Rüter S (2017): Der Beitrag der stofflichen Nutzung von Holz zum Klimaschutz – Das Modell WoodCarbonMonitor. Dissertation an der Technische Universität München.

[6] Thünen-Institut: Warum Waldnutzung auch Klimaschutz ist.
Siehe Grafik: Kohlenstoffflüsse und Kohlenstoffspeicher mit ihrer CO2-Bilanz entlang der Forst- und Holzkette im Berichtsjahr 2020, „Wald als Kohlenstoffspeicher“.

[7] Hafner A (2017): Treibhausgasbilanzierung von Holzgebäuden - Umsetzung neuer Anforderungen an Ökobilanzen und Ermittlung empirischer Substitutionsfaktoren. Forschungsbericht der Ruhr Universität Bochum im Auftrag des Bundeslandwirtschafts- und Bundesumweltministeriums.

[8] Djahanschah S et al. (2020): Ökologische Mustersiedlung Prinz-Eugen-Park in München. Baudokumentation des Informationsdienst Holz.

[9] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2023): Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2022.

[10] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022): Waldbrandstatistik 2021.

[11] Goldammer JG (2013): Wald und Heide brennen. Von der Waldbrandkatastrophe zum kontrollierten Brennen. Forstliche Mitteilungen.

[12] Goldammer JG (Hrsg.) (2013): Prescribed Burning in Russia and Neighbouring Temperate-Boreal Eurasia. Veröffentlichung des Global Fire Monitoring Center (GFMC).

[13] Goldammer JG (2020): Klimawandel, Wetterextreme, Wald und Waldbrand: Herausforderungen an Waldbesitzer. Deutscher Waldbesitzer.

[14] Goldammer JG (2021): Klimawandel, Wetterextreme, Wald und Waldbrand: Eine Querschnittsaufgabe. Notfallvorsorge.

[15] Deutscher Bundestag (17.04.2023): Nationale Kraftanstrengung für einen besseren Waldbrandschutz. Protokoll der öffentlichen Anhörung durch den Ausschuss für Inneres und Heimat des Deutschen Bundestages.

[16] Global Fire Monitoring Center: Leistungsprofil für Deutschland – Landschaftsbrände in Deutschland. Webseite des GFMC.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Möhring B et al. (2021): Schadenssumme insgesamt 12,7 Mrd. Euro. Abschätzung der ökonomischen Schäden der Extremwetterereignisse der Jahre 2018 bis 2020 in der Forstwirtschaft. Holz-Zentralblatt.

[II] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022): Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2021.

[III] Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung: Dürremonitor Deutschland.