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06.04.2017

Kampf gegen Rauchen in Deutschland und in der Welt

Mehr als jeder zehnte Tod ist durch Rauchen verursacht. Damit ist Rauchen nach wie vor eine der führenden Risikofaktoren, um krank zu werden und vorzeitig zu sterben – trotz weltweiter Anstrengungen wie etwa dem Rahmenübereinkommen zur Bekämpfung des Tabakkonsums. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie mit Daten aus dem Jahr 2015, die soeben im Fachjournal „Lancet“ erschienen ist.

Deutschland gehört dieser Studie zufolge zu den zehn Ländern mit der höchsten Anzahl an Rauchern (absolut, nicht relativ bezogen auf die Bevölkerung ab einem Alter von zehn Jahren). 19,4 Prozent der Mädchen und Frauen sowie 25,2 Prozent der Jungen und Männer konsumieren täglich irgendeine Form von Tabak. Nur bei den Männern hat sich der Anteil der Raucher im Vergleich zu 1990 statistisch signifikant reduziert, und zwar um durchschnittlich 0,9 Prozent pro Jahr (nicht Prozentpunkte pro Jahr).

In Österreich rauchen der Studie zufolge 22,7 Prozent der Frauen und 30,0 Prozent der Männer; in der Schweiz 16,5 Prozent der Frauen und 21,9 Prozent der Männer.

 

Übersicht

  • Prof. Dr. Onno van Schayck, Professor für Präventionsmedizin, Care and Public Health Research Institute (CAPHRI), Maastricht University, Maastricht (NL)
  • Dr. Ute Mons, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention, anerkanntes WHO-Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg
  • Prof. Dr. Sven Schneider, Leiter der Forschungsabteilung Kindergesundheit am Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Universität Heidelberg, Heidelberg

Statements

Prof. Dr. Onno van Schayck

Professor für Präventionsmedizin, Care and Public Health Research Institute (CAPHRI), Maastricht University, Maastricht (NL)

„Jeder zweite Raucher wird letztendlich an einer Krankheit sterben, die durch Rauchen verursacht wurde. Warum akzeptieren wir das und handeln nicht sofort? Wenn ein Produkt erfunden würde, das so viele Tote verursacht, würde es sofort verboten. Warum also lassen wir es seit Jahrzeiten geschehen, dass Tabakprodukte Menschen töten?“

Dr. Ute Mons

Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention, anerkanntes WHO-Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg

„Die Global Burden of Disease-Studie stellt eindrücklich das immense Ausmaß der sogenannten Tabakepidemie und der damit verbundenen enormen Krankheitslast dar. Weltweit rauchen nahezu eine Milliarde Menschen. Den Berechnungen zufolge gehört Deutschland zu den Top Ten der Länder mit der höchsten absoluten Anzahl an Raucher: Dies ist selbstverständlich zum Teil der hohen Einwohnerzahl geschuldet, aber eben auch der immer noch hohen Raucher-Anteile in der deutschen Bevölkerung.“

„Die Studie macht auch deutlich, dass seit dem Jahr 1990 in Deutschland die Verbreitung des Rauchens zwar leicht zurückgegangen ist, allerdings nur bei Männern und deutlich weniger als im Durchschnitt aller Länder weltweit. Dies ist nicht verwunderlich, denn Deutschland tut vergleichsweise wenig für die Tabakprävention. So ist Deutschland zum Beispiel das einzige Land in Europa, das noch uneingeschränkt Tabakaußenwerbung erlaubt. Länder wie Australien und Brasilien zeigen, wie ein erfolgreicher Kampf gegen das Rauchen aussehen kann: Eine konsequente Tabakpräventionspolitik und eine entschlossene Umsetzung wirksamer Maßnahmen wie deutliche Tabaksteuererhöhungen, umfassender Nichtraucherschutz und weitreichende Werbeverbote haben in diesen Ländern zu einem starken Rückgang der Raucheranteile geführt.“

„Den Berechnungen der Studie zufolge sind aktuell etwa 6,4 Millionen Todesfälle weltweit auf das Rauchen zurückzuführen, im Vergleich zum Jahr 2005 entspricht das einem Anstieg um fast fünf Prozent. Dass die globalen Todesfallzahlen trotz leicht sinkender Raucheranteile steigen, ist auf die demographische Alterung der Bevölkerung zurückzuführen. Ein Phänomen, das wir auch in Deutschland beobachten: Die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre, von denen vergleichsweise viele zur Zigarette gegriffen haben, kommen jetzt in ein Alter, in dem das Risiko für tabakbedingte Erkrankungen besonders hoch ist, was zu einem Anstieg der tabakbedingten Todesfälle führen wird.“

„Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, muss sich die deutsche Politik endlich zu wirksamen Maßnahmen gegen das Rauchen durchringen und konsequent Gesundheitsinteressen über wirtschaftliche Interessen der Tabakindustrie stellen. Nur mit einer entschlossenen Präventionspolitik und einem Bündel wirksamer Maßnahmen wie regelmäßige Tabaksteuererhöhungen, einem umfassenden Nichtraucherschutz und Tabakwerbeverboten lässt sich das Rauchen und die Last an tabakbedingten Erkrankungen und Todesfällen eindämmen. Eine Umsetzung des längst überfälligen Außenwerbeverbots sollte der erste Schritt sein.“

Prof. Dr. Sven Schneider

Leiter der Forschungsabteilung Kindergesundheit am Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Universität Heidelberg

„Weltweit geht jeder zehnte Todesfall auf das Konto des Rauchens. In Deutschland ist dies sogar jeder siebte Todesfall. In der sogenannten Tobacco Control Scale, der Tabakpräventionstabelle der Europäischen Krebsliga [1], welche die Tabakpräventionsmaßnahmen auf staatlicher Ebene bewertet, liegt Deutschland unter allen 35 europäischen Nationen auf dem vorletzten Platz. Österreich liegt mit einem Punkt weniger auf dem letzten Tabellenplatz. Verglichen mit einer Bundesliga-Tabelle liegt Deutschland somit weit abgeschlagen auf einem Abstiegsplatz. Mit anderen Worten: Nahezu alle anderen europäischen Nationen engagieren sich deutlich mehr in der Tabakprävention als Deutschland. In der Tabakprävention ist Deutschland mittlerweile ein Entwicklungsland.“

„Deutschland ist das einzige Land in der Europäischen Union, in der Außenwerbung – also Plakatwerbung, Werbung und Bushaltestellen usw. – noch erlaubt ist. Damit werden vor allem Jugendliche angesprochen. Meines Erachtens ist diese Haltung der Bundesregierung gerade gegenüber dieser besonders schützenswerten Bevölkerungsgruppe verantwortungslos. Außerdem gibt es in Deutschland immer noch mehr als 300.000 Zigarettenautomaten. In den meisten anderen europäischen Nationen sind diese längst verboten. Unsere eigenen Forschungsarbeiten zeigen, dass rauchende Jugendliche die Alterskontrolle problemlos umgehen können [2]. Hier zeigt sich, wie stark sich unsere Bundesregierung beeinflussen lässt durch Lobbyarbeit, zum Beispiel der Tabakindustrie, der Werbeindustrie und der Automatenaufsteller.“

„Mit der E-Zigaretten vollzieht sich eine technische Revolution, die mit der Ablösung der Analogkamera durch die Digitalfotografie vergleichbar ist. Heutzutage fotografiert niemand mehr mit der Analogkamera. Mit der E-Zigarette wird der Tabakmarkt zum Nikotinmarkt [3]. Mittlerweile hat jeder Tabakkonzern mehrere E-Zigaretten-Marken im Portfolio. Besonders gefährlich ist die Entwicklung, dass zunehmend Jugendliche und junge Erwachsene, die bisher nie eine Tabakzigarette in der Hand hielten, nikotinhaltige E-Zigaretten konsumieren. Mit der E-Zigarette hat die Industrie nun eine Produktrevolution in den Händen, mit der der Suchtstoff Nikotin auf einfachste Weise weltweit Milliarden Menschen zugänglich gemacht werden kann. Es ist zu erwarten, dass die E-Zigaretten-Industrie den Nikotintransfer und damit das Abhängigkeitspotenzial durch technische Veränderungen und die chemische Zusammensetzung von Liquid und Dampf künftig weiter ‚optimieren’ wird. Derartige Produkt-‚Optimierungen’ sind an einem chemisch-technischen Produkt wie der E-Zigarette deutlich einfacher realisierbar als an der klassischen Tabakzigarette, wo der beißende Rauch durch Zusatzstoffe kaschiert werden muss.“

Mögliche Interessenkonflikte

Alle: Keine angegeben.

Primärquelle

GBD 2015 Tobacco Collaborators (2017): Smoking prevalence and attributable disease burden in 195 countries and territories, 1990–2015: a systematic analysis from the Global Burden of Disease Study 2015. Lancet. DOI: 10.1016/S0140-6736(17)30819-X.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Tobacco Control Scale 2016

[2] Schneider, S et al. (2010): Die kartenbasierte Alterskontrolle an Zigarettenautomaten. Wirkung und Folgen. Bundesgesundheitsblatt;53:178. DOI: 10.1007/s00103-009-1019-x.

[3] Schneider S et al (2014): A public health strategy for e-cigarettes. Wien Klin Wochenschr;127(13-14):570-6. DOI: 10.1007/s00508-015-0800-0.

Weitere Recherchequellen

SMC: Fact Sheet „E-Zigaretten: Entwöhnungsmittel für Raucher oder neue Gefahrenquelle?“ Stand: 09.02.2017.

Krebsinformationsdienst: Lungenkrebs.