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14.10.2016

Warum die EEG-Umlage steigt

Am 14. Oktober präsentierten die vier Übertragungsnetzbetreiber die Höhe der neuen EEG-Umlage, sie beträft 6,88 ct/kWh. Während der Betrag für 2015 und 2016 Jahren beinahe unverändert blieb, erwarteten Analysten bereits seit 2015, dass sie für 2017 und in den kommenden Jahren wieder ansteigen werde. Gründe dafür sind die sinkenden Großhandelsstrompreise bedingt durch die Konstruktion des Stromhandels sowie die steigende Menge an Offshore-Windstrom.

Dieses Factsheet des Science Media Center Germany enthält Basisinformationen zur Konstruktion des Stromhandels und der Bildung der EEG-Umlage sowie zur Zusammensetzung des Strompreises für den privaten Endkunden.

Sie können dieses Fact Sheet auch als PDF herunterladen.

Übersicht

     

  • Was ist die EEG-Umlage?
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  • Erneuerbare Energien senken den Börsenstrompreis: der Merit-Order-Effekt
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  • Immer weniger Schultern tragen die EEG-Umlage
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  • Welchen Einfluss hat die EEG-Umlage auf den Strompreis?
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  • Literaturstellen, die zitiert wurden
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  • Weitere Recherchequellen
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Was ist die EEG-Umlage?

der Ausgleich der Differenz zwischen der Vergütung, die den Betreibern von Wind-, Solar- und anderen Erneuerbaren Anlagen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zugesichert wird, und dem Preis, der an der Strombörse durch den Verkauf des Stroms erzielt werden kann. Die Vergütung erfolgt pro Kilowattstunde (kWh).

Betreiber größerer Anlagen oder ganzer Parks müssen ihren Strom dabei direkt an der Börse vermarkten. Das geschieht häufig über spezielle Dienstleister. Die Anlagenbetreiber erhalten eine Marktprämie, die die Differenz ausgleicht zwischen dem Erlös an der Börse und dem sogenannten anzulegenden Wert (dieser entspricht der früheren fixen Einspeisevergütung).

Die meisten Windkraftanlagenbetreiber sind zur Direktvermarktung übergegangen. Betreiber kleinerer Solarstromanlagen können die Direktvermarktung bislang aus praktischen Gründen kaum nutzen.

Die Höhe der Einspeisevergütung beziehungsweise des anzulegenden Wertes wurde in der Vergangenheit per Gesetz festgelegt; ab 2017 wird sie per Ausschreibung ermittelt.

     

  • Die Genehmigung zum Bau von Windparks oder großen Solaranlagen erhält dann der Bieter, der den geringsten anzulegenden Wert aufruft.
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  • Ausgenommen sind kleine Photovoltaik-Anlagen bis zu einer Leistung von 100 kW und Windräder bis zu 750 kW Leistung, ihre Einspeisevergütung wird wie bisher gesetzlich geregelt.
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  • Für Bürgerwindprojekte gibt es eine Ausnahme: Sie können ihren Strom zum höchsten anzulegenden Wert verkaufen, auch wenn sie in der Auktion nur einen niedrigen anzulegenden Wert geboten haben.
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Die Einspeisevergütung wird ausgezahlt durch die Netzbetreiber. In der Mehrzahl der Fälle sind das die Verteilnetzbetreiber, bei sehr großen Anlagen auch die Übertragungsnetzbetreiber selbst. Übertragungsnetzbetreiber sind die Betreiber der Stromautobahnen: Sie balancieren Verbrauch und Erzeugung im Netz aus. Sie sind es auch, die die Verteilnetzbetreiber mit dem nötigen Geld für die Auszahlung der Einspeisevergütung für die Anlagen in ihrem Netzgebiet versorgen.

Der Strom aller Anlagen wird zwar auf Strommärkten verkauft, doch in der Regel reichen die Erlöse nicht aus, um die Einspeisevergütung zu bezahlen. Die Differenz zwischen Verkaufserlös und Vergütungszusage legen die Übertragungsnetzbetreiber auf die an alle Stromverbraucher gelieferten Kilowattstunden um, die EEG-Umlage. Ausgenommen davon sind nur industrielle Stromverbraucher mit einer sehr hohen Energieintensität.

Erneuerbare Energien senken den Börsenstrompreis: der Merit-Order-Effekt

Diese Differenz zwischen Einspeisevergütung und dem Börsenstrompreis wurde in den vergangenen Jahren größer. Das liegt unter anderem am Merit-Order-Effekt.

Der Strom aus Erneuerbaren Energien wird an verschiedenen Strommärkten verkauft:

     

  • Den Strom der kleinen Anlagen verkaufen Übertragungsnetzbetreiber auf dem Day-Ahead-Markt, auf dem der Strombedarf für den kommenden Tag gehandelt wird.
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  • Die Direktvermarkter verkaufen ihren Strom zum Großteil ebenfalls auf diesem Markt, zum Teil aber auch auf anderen wie etwa dem Regelenergiemarkt.
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Der Handel läuft vereinfacht nach dem folgenden Verfahren:

     

  • Gehandelt werden Megawattstunden (= Arbeit) für Zeiteinheiten. Auf dem Day-Ahead-Markt zum Beispiel werden Stromlieferungen in der Regel für jede Stunde des folgenden Tages per Auktion verkauft.
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  • Gehandelt wird europaweit in mehreren Marktzonen, etwa einer gemeinsamen Marktzone für Deutschland und Österreich.
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  • Für eine bestimmte Stunde bieten Stromhändler oder Kraftwerksbetreiber ihren Strom in einer Marktzone an. Umgekehrt geben Interessenten für Stromlieferungen Gebote ab, zu denen sie eine bestimmte Menge Strom zur gleichen Stunde kaufen würden.
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  • Die angebotenen Strommengen werden nach der Höhe des Angebotspreises sortiert: das günstigste zuerst, das teuerste zuletzt. Auch Gebote der Stromkäufer werden der Reihe nach sortiert: die teuersten zuerst, die günstigsten zuletzt. Dort, wo sich die Kurven der Kauf- und der Verkaufsgebote schneiden, sind Angebot und Nachfrage ausgeglichen. Deshalb wird der Strompreis für alle gehandelten Strommengen auf den Wert festgelegt, den die Gebote am Schnittpunkt haben.
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  • Das bedeutet in der Praxis: Der Preis des letzten Kraftwerkes, das zum Zuge gekommen ist, um die Stromnachfrage zu decken, setzt den Strompreis für alle Anbieter der Runde fest.
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  • Weil für die Angebote nur variable Kosten maßgeblich sind, wie etwa Brennstoffpreise, ist der billigste Strom in der Regel Öko-Strom. Danach kommen zum Zug: Atom-, Braunkohle-, Steinkohle- und Gasstrom. Diese Reihenfolge ist die Merit-Order.
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Billiger Strom aus billigen Kraftwerken drängt daher teuren Strom aus teuren Kraftwerken vom Markt. Das ist der Merit-Order-Effekt.

Der Merit-Order-Effekt ist nicht nur ein Problem für Erneuerbaren Strom: Auch der Neubau von konventionellen Kraftwerken lässt sich mit dieser Konstruktion nicht finanzieren, weil die Kosten für ihren Neubau nicht maßgeblich sind für das Angebot auf den Strommärkten.

Für den Großhandelspreis bedeutet das: Je mehr Erneuerbarer Strom auf den Strommärkten verkauft wird, desto weniger konventionelle Kraftwerke kommen zum Zug. Zuerst fallen die Gaskraftwerke, dann die Steinkohlekraftwerke aus den Bieter-Runden, gelegentlich auch schon Braunkohlekraftwerke.

Das ist der Grund, warum der Börsenstrompreis in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken ist. 2016 bestimmten vor allem die Braunkohlekraftwerke die Höhe des durchschnittlichen Erlöses für Strom auf den Strommärkten; er liegt bei knapp unter drei Cent pro Kilowattstunde.

Der Erlös aus dem Verkauf von Erneuerbarem Strom fällt also umso kleiner aus, je mehr verkauft wird. Die Differenz zwischen Verkaufserlös und Einspeisevergütung wächst und damit auch die EEG-Umlage.

Seit 2016 kommt hinzu, dass immer mehr Offshore-Windenergie erzeugt wird, deren Betreiber in den ersten acht Betriebsjahren der Anlage eine vergleichsweise hohe Einspeisevergütung erhalten. Dieser Entwicklung war bereits seit 2015 absehbar [1, S.3].

Indirekt fließt darüber hinaus auch der Preis für Kohlendioxid-Emissionszertifikate in den Strompreis mit ein: Je weniger die Betreiber für diese Zertifikate bezahlen müssen, desto billiger können sie den Strom an der Börse verkaufen. Das ist auch ein Grund dafür, warum Braunkohlekraftwerke so billig anbieten können.

Immer weniger Schultern tragen die EEG-Umlage

Wie hoch die Umlage ausfällt, hängt auch davon ab, auf wie viele Kilowattstunden die Differenz zwischen Verkaufserlös und Einspeisevergütung umgelegt werden kann.

Die Zahl der Kilowattstunden, auf den die EEG-Kosten umgelegt werden können, sinkt seit Jahren.

Ursache sind Ausnahmeregelungen für Großverbraucher. Sie können sich von der EEG-Umlage zum Teil oder ganz befreien lassen, wenn sie ansonsten im internationalen Konkurrenzkampf erhebliche Nachteile hätten.

2010 war der Verbrauch von 68 Terawattstunden von der EEG-Umlage befreit. Das waren gut 11 Prozent des Gesamtstromverbrauchs in Deutschland, auf die die Übertragungsnetzbetreiber die Differenzkosten nicht übertragen konnten.

2016 waren rund 106 Terawattstunden priviligiert. Das sind fast 19 Prozent, die für den Ausgleich der Differenz zwischen Börsenstrompreis und Einspeisevergütung nicht zur Verfügung stehen [1, S.3].

Wie bei einem Kuchen bedeutet das: je weniger Teile, desto größer das einzelne Stück. Die übrigen Verbraucher müssen entsprechend einen größeren Anteil an den Differenzkosten tragen.

Würden die Ausnahmen von der EEG-Umlage etwa auf den Stand von 2010 zurückgefahren werden, könnte die EEG-Umlage nach Berechnungen des Öko-Instituts um rund 1,2 Cent pro Kilowattstunde sinken [1, S.3].

Welchen Einfluss hat die EEG-Umlage auf den Strompreis?

Um zu beurteilen, zu welchem Preis Strom in Deutschland für jene Kunden erzeugt wird, die die EEG-Umlage zahlen, addieren das Bundeswirtschaftsministerium, der Think-Tank Agora Energiewende oder das Öko-Institut EEG-Umlage und den Börsenstrompreis.

Die Umlage für 2016 beträgt 6,354 Cent pro Kilowattstunde und der durchschnittliche Börsenpreis für 2016 fällt voraussichtlich auf knapp unter drei Cent. Die durchschnittlichen Einstandskosten der Stromvertriebe liegen dann für 2016 bei rund neun Cent.

Im Vorfeld der Verkündung der Umlage für 2017 nannte die Frankfurter Allgemeine Zeitung [2] als neue Höhe für die Umlage 6,88 Cent. Bleibt der Börsenstrompreis ungefähr gleich, läge der Strompreis 2017 im Schnitt bei gut 9,6 bis 9,8 Cent. Das wäre weniger als 2013 und 2014 [4 S.20 Fig. 4-2].

Für den Haushaltskunden kommen zu diesem Systempreis noch weitere Steuern und Abgaben hinzu. Die meisten fallen je nach Jahr und Region unterschiedlich aus; sie summieren sich auf rund 52 Prozent [3, S.10]:

     

  • Die Mehrwertsteuer:
    • Der Steuersatz liegt bei 19 Prozent; er wird berechnet, nachdem die folgenden Aufschläge auf den Strompreis erfolgt sind.
    • Die Mehrwertsteuer macht von allen zusätzlichen Aufschlägen den größten Teil aus.
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  • Die Stromsteuer:
    • Sie liegt bei 2,05 Cent pro Kilowattstunde.
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  • Die Netzentgelte:
    • Sie betragen in manchen dünnbesiedelten Regionen Deutschlands – etwa Mecklenburg-Vorpommern – mehr als 9 Cent pro Kilowattstunde, in dichtbesiedelten Städten nur rund vier Cent.
    • Die Netzentgelte sind die Kosten für Bau und Betrieb der Stromnetze. In diesen Posten fließen zum Beispiel die Kosten für den Ausbau der Stromnetze.
    • 2016 kündigten TenneT und 50 Hertz an, ihre Netzentgelte in den kommenden Jahren deutlich erhöhen zu wollen. Auch Verteilnetzbetreiber kündigten deutliche Erhöhungen an.
    • Von den Netzentgelten können sich große Verbraucher befreien lassen.
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  • Die §19 Umlage:
    • Die Befreiung großer Firmen von den Netzentgelten umgelegt auf die übrigen Kunden.
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  • Die Konzessionsabgabe:
    • Gebühren für die Nutzung öffentlicher Wege für Stromleitungen, umgelegt auf Stromkunden.
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  • Die KWK-Umlage:
    • Damit werden Kraft-Wärme-Kopplungskraftwerke gefördert. Ähnlich ermittelt wie die EEG Umlage, aber viel geringer.
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  • Die Offshore-Haftungsumlage:
    • Damit werden die Betreiber von Offshore-Windenergieanlagen entschädigt, falls Netzbetreiber es nicht schafft, betriebsbereite Windenergieanlagen auf hoher See rechtzeitig anzuschließen.
    • Die Offshore-Haftungsumlage wird nur auf die Zahler des EEG-Umlage umgelegt.
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  • Die Kosten für Vertrieb und Messtechnik:
    • Diese sind anbieterspezifisch.
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Konstruktionsbedingt fällt also der Großhandelspreis für Strom, je mehr Strom aus Erneuerbaren Quellen an den Strombörsen gehandelt wird. Die Investition für den Neubau von Wind- und Photovoltaik-Anlagen lässt sich daher durch den Verkauf von Strom auf diesem Strommarkt nicht refinanzieren. Dieses Problem haben jedoch auch Betreiber konventioneller Kraftwerke; auch der Bau neuer Kraftwerke lässt sich mit dieser Strommarkt-Konstruktion nicht refinanzieren. Daher sind in den vergangenen Jahren eine Reihe von Kohlekraftwerk-Projekten in Deutschland gestoppt worden. 

Literaturstellen, die zitiert wurden

[1] Ritter, D. et al. (2016): Hintergrundpapier Erneuerbare-Energien-Gesetz. URL: http://bit.ly/2erhOnx

[2] ami (2016): Ökoumlage wird einen halben Cent teurer; Stromnetzbetreiber legen Höhe der Förderabgabe für regenerativen Strom im nächsten Jahr auf 6,88 Cent fest. In: FAZ, Dienstag 11.12.2016, S. 15.

[3] Bundesnetzagentur (2016): Monitoringbericht 2015. URL: http://bit.ly/2dLBKTe

[4] Haller, M. et al. (2015): Projected EEG-Costs up to 2035. URL: http://bit.ly/2dKAHPR

Weitere Recherchequellen

Veröffentlichung der EEG-Umlagen sowie weiterer Daten und Abrechnungen der Übertragungsnetzbetreiber im Zusammenhang mit der EEG-Umlage. URL: http://bit.ly/2d7725B

EEG-Rechner des Thinktanks Agora Energiewende. URL http://bit.ly/1Ye34qY

Börsenpreise für Strom am Day-Ahead (Spot) Markt der EEX. URL: http://bit.ly/2efs3f9

Zu den Entwicklungen und Nebenkosten der Strommärkte und Verbraucherpreise: Monitoringberichte der Bundesnetzagentur: URL: http://bit.ly/2dKzWWY

Zur Höhe der Netzentgelte siehe zum Beispiel Preise für nicht-registrierende Leistungsmessung von Kleinverbrauchern der Wesernetz Bremen GmbH URL: http://bit.ly/2euAjqZ

Preise für Strom-Entnahme ohne Leistungsmessung der Ostdeutschen E.DIS AG, URL: http://bit.ly/2dYEk4a